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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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Cornwall am Hochmoor – ich vergesse immer die Namen der Ortschaften … hatte einen Butler namens Thornton, der ihr 26 Jahre ergeben war, bis er sich dem Trunk hingab und im Suff die alte Lady in ihrem Treibhaus vergewaltigte … inmitten ihrer Orchideen, die da blühten …! Eine schreckliche Geschichte, Sir, an die ich immer wieder denke, wenn ich Zeit habe.
Dämon Alkohol, sagte ich, vor allem für Butler schädlich.
Ein wahres Wort, Sir, sagte Hochwürden, wenn ich das bemerken darf.
Und Ihr Butler Jenkins, fragte Treeball, sprach dem Alkohol nicht zu, nehme ich an.
Mein bester Treeball, Jenkins soff für einen Pavian wie ein Loch, vertrug’s aber wie ein Mann.
Wie –, fragte Hochwürden, Jenkins war ein – Affe?
Das war er, sagte ich, ein ganz besonderes Exemplar.
Eine Trauerfeier für einen Affen, sagte Treeball, das sei nahe der Blasphemie.
Die sei nicht spezifisch christlich, sagte ich, ein Freund hält eine kleine Rede, das sei alles. Da hüllte sich Hochwürden in seinen Regenmantel mit Kapuze, hinterließ eine kompakte Wolke seines Odeurs und setzte sich beleidigt in die vorletzte Reihe vor dem Portal.
Konnte mich dann wieder auf die Feier konzentrieren und fixierte den Katafalk mit dem kleinen Sarg aus Fichtenbrettern, in dem mein armer Freund ruhte. Gut, dass er den Schnee nicht mehr sehen musste, er hatte Schnee immer gehasst. Die weißen Rosen aus dem Treibhaus ließen ihre üppigen Köpfe hängen, ein jammervoller Anblick; alles passte zusammen – die Kälte, der üble Odem von Treeball, die erfrorenen Rosen und meine sinistre Stimmung.
Dann schlurfte die Trauergemeinde in die Kapelle, eingemummt in dickes Zeug; man setzte sich geräuschvoll, man hustete, man flüsterte.
Die Tozzi-Brüder legten eilig einen Kranz aus Wachs mit schwarzen Tulpen aus Papier an das Fußende der Kiste. Auf einer rosa Schleife stand Zur Erinnerung in goldenen Lettern; die Schleife war von einer früheren Beerdigung, an die ich mich nicht mehr erinnerte.
Es konnte losgehen.
Strehlow trug das Trauermanuskript fest gerollt und presste es an seinen Thorax. Im schwarzen Anzug und schäbigem Samt-Cape mit räudigen Bisamratten als Kragen sah der Baron so gut aus wie Jenkins in seinen besten Zeiten. Man schwieg.
Wo ist, Erbarmung, die Kanzel?, fragte Strehlow.
Er müsse ohne Kanzel auskommen, sagte ich, während der Rede könne er sich mit einer Hand auf den Sarg stützen.
Ein fettes, bleiches Mädchen mit zottigem schwarzen Haar – es war die Nichte der Köchin Nancy – trat vor den Sarg und trug zu meiner Überraschung ein Gedicht vor, das sich reimte; weil die Kleine erkältet war und ohne Taschentuch, zog sie nach jeder Zeile den Rotz hoch. Ihr schwarzer Mantel war so lang, dass er die Füße bedeckte; jedenfalls schien sie nicht zu frieren.
Das Gedicht ging so:
Kurz und siegreich war dein Leben
Konntest alle nur erfreu’n
Doch wir können nichts dir geben
Dankbar dir nur Blumen streu’n.
Gut, sie leierte, sie lispelte, ihre Vortragsweise hätte vielleicht inspirierter sein können, aber mir gefiel das Gedicht. Nach einem abschließenden Schnüffeln – durch beide Nasenlöcher – ging sie zu ihrer Bank und setzte sich neben Nancy. Schöne Stimmung. Das miese Gedicht hatte alle erhoben, irgendwie. Auftritt Baron, sehr bedeutsam.
Sagte ihm, er solle anfangen.
Strehlow erwiderte, er wolle auf Lady Aslauga warten.
Zwecklos, sagte ich, wie Sie wissen, vermeidet meine Frau alles, was mit Tod, Sterben, Trauer etc. zu tun hat, ebenso wie Hülsenfrüchte, den Alkohol und die Fortpflanzungssache, er könne also beruhigt mit seiner Ansprache beginnen.
Der Stache und der Heyse, sagte Strehlow leise, hätten ein Stück von Henry Purcell einstudiert, eine Elegie aus dem Jahre 1689 auf einen toten Papagei, aber auch für andere Trauerfälle geeignet, sehr kurz, aber von kühner Harmonik.
Das könne warten, sagte ich, er möge loslegen –, und nahm (nun alle im Visier) auf dem venezianischen Scherenstuhl Platz, der verloren neben dem Eingang zur Krypta stand, in der mein Vater Iron auf ewig, wie ich hoffe, ruht. Hatte damals den Jagdunfall im Sommer erfolgreich absolviert (Zertrümmerung der Kalotte durch Ast, Finis). Ich orderte einen Kupfersarg, der mich vor seinen trüben Emanationen schützen sollte.
Ich saß auf dem prächtigen Gestühl und faltete die Hände; der Baron hätte beginnen können, der aber verbrachte sehr nervös viel Zeit damit, das Manuskript auf dem Sarg von Jenkins zu ordnen. War wohl mit den Seitenzahlen

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