Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)
– ein aufgeblasener Hysteriker, der aussah wie ein Kater im Liebeswahn, obwohl Frauenfeind.
Aber die Misogynie (ein Begriff, den unser Dr. Ossipowitsch benutzt) soll weit verbreitet sein, eine ganz natürliche Reaktion, wie mir Dr. O. erklärte, und er hat recht. Wenn ich das Lachen mancher Damen höre, sträubt sich mir das Zwerchfell – widerlich. Und ihre Mundhöhlen sehen aus wie rot gefütterte mit Gold intarsierte Ridiküls – Pardon, der Wodka spricht aus mir.
Verzeih Deinem alten Freund diese ein wenig dissipativen Bemerkungen. Du schreibst von der Dame, sie habe eine zu lange Nase; das ist natürlich ein ernsthafter Einwand, den man immer wieder prüfen muss. Bei Männern ist eine lange Nase kein Makel. Dante hatte eine lange Nase und avancierte dennoch. Ich kannte einen russischen Jäger, der einen langen Kolben hatte und – Pardon.
Ja, die Frauen! Als meine Natalia – die kleine Plubat, ich habe sie einmal beschrieben, wenn Du Dich erinnerst, die süße Eichkatze! – mir meinen Sohn Edward zur Welt brachte und einiges andere mehr – muss schließen.
Mein lieber Herbert, mach weiter so, Du bist auf dem richtigen Weg. Lass Dich nicht beirren. Erledige die Phänomene, wie sie kommen, Schuss für Schuss. Such Dir für Dein Refugium am Regent’s Park ein hübsches Weibchen mit Stupsnase und Grübchen, braunen Augen und einer vollen Unterlippe und werde glücklich.
P.S. 2: Habe Deine Dame in einem Literaturlexikon nachgeschlagen, bis sie offen vor mir lag, dann schloss ich die Seiten und sagte laut: Nein! Überlege mal – Methodistenhaushalt, Bildung und sog. religiöse Konflikte. Na hör mal. Und dann noch Psychologin, eine Sache, die ich für die trübsinnigste auf der Welt halte.
Wörtlich steht in der Lit.-Geschichte:
«Ihre Gestalten sind nie statisch, sondern entwickeln sich im Verlauf der Handlung.»
Du lieber Himmel – erst Integration und dann wahrscheinlich die übliche Dissipation, nein danke.
Herbert, nimm keine Romancière, such dir ein hübsches Weibchen mit blonden Locken, einer kleinen Adlernase – entzückend! und eisblauen Augen; aber braune Augen bei einer echten Blondine haben mehr, als die Literatur liefern kann.
Ganz der Deine. Iron S.
(Die Epistel von Spencer auf diesen wodkareichen Brief ist kurz)
Lieber Iron,
Dein Brief hat mich erreicht. Für einen deutsch-stämmigen Engländer eine wackere (brave) reaction, aber Du hast Manches missverstanden. Ich halte die Deutschen für ein nicht besonders inspiriertes Volk. Sie tauchen viel in die Tiefe, aber wie Kollege Huxley zu Recht sagt, tauchen sie ziemlich schmutzig wieder auf. Und Euer Goethe, den ich einmal aus Versehen las (Faust)! – unser Marlowe mit seinem Faustus ist besser, und der ist nicht so mystagogisch konfus. Siehe oben.
Mein lieber Iron, natürlich lässt sich eine Theorie auf jede mögliche Weise interpretieren, das ist lediglich (und zu meinem ewigen Leidwesen) eine Frage der Definition. Aber bedenke bitte immer einmal wieder die Differenz zwischen Definiens und Definiendum – ein Zentrum, nicht immer an einem Punkte zu kurieren, wie euer Großfürst Goethe sagt! Ich meinte natürlich den totalen Kosmos, nicht nur den betrüblichen Teil der menschlichen Existenz, der da ‹Liebe› genannt wird und den Großteil niederschmetternder Literatur (oder gar das Leben) betrifft.
Lies das Zeug einfach noch mal, wenn du nicht besoffen bist. Glückwunsch zu den Zobeln. Werde übrigens nicht heiraten. Wohne jetzt bei zwei Damen von beruhigender Geschlechtsneutralität. Das Essen ist so ähnlich, will sagen: keine Magenbeschwerden, und so ist in meinem kleinen Kosmos alles in Ordnung.
Dein Herbert Spencer.
69 Der Entschluss, Ordnung herzustellen, ist immer ein großes Projekt, das man am besten im Sitzen sondiert; so saß ich im Edwardschen Ohrensessel – die Ohrendeckel mit dem verblichenen Chintz steckten bestimmt voller Bazillen und verschlafener Grübeleien – und dachte intensiv an Die Ordnung, an Tabula rasa, an ein System für die Kollektionen von der Aga-Kröte (Modell Singrams fürs Archebild) bis Zyste, einer sentimentalen Erinnerung Edwards an eine geglückte Operation in London; die Zyste lag in einer Holzkiste von Edward seit 1924 und schwamm, erinnere ich mich korrekt, in einem bernsteinfarbenen Glaskolben.
Ich litt niemals am Messie-Syndrom.
Ich finde Leute ganz unerträglich, die nichts wegschmeißen können, und habe mein Lebtag immer mehr expediert, als ich aufhob. Es wäre nützlich, dachte
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