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Traveblut

Traveblut

Titel: Traveblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Schlennstedt
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akkurat angelegten Garten.
    »Erzählen Sie mir von Ihrer Mutter«, sagte er. »Was für ein Mensch war sie?«
    Obwohl Jochimsen anzuhören war, dass er von Andresens Frage genervt war, sprang er über seinen Schatten und gab einige Details aus dem Leben seiner Mutter preis.
    Brigitte Jochimsen war mehr als dreißig Jahre lang Lehrerin an der Blücher-Grundschule in Lübeck gewesen. Laut ihrem Sohn war der Job ihre berufliche Erfüllung gewesen. Sie hatte es geliebt, mit Kindern zu arbeiten und sie zu anständigen Menschen zu erziehen. Bei dem Wort »anständig« verzog Andresen kurz das Gesicht. Es klang für ihn nach einer strengen, autoritären Erziehung.
    Zuletzt war Brigitte Jochimsen alleinstehend gewesen, nachdem ihr Mann Günther vor knapp zehn Jahren an Kehlkopfkrebs gestorben war. Sie hatte damals das gemeinsame Haus verkauft und war in eine Dreizimmerwohnung im Lübecker Stadtteil St. Gertrud gezogen. Stefanie, Bernds ältere Schwester, lebte seit einigen Jahren in der Schweiz und hatte kaum mehr Kontakt zu ihrer Mutter gehabt. Offenbar hatte es Streit um das Erbe von Günther Jochimsen gegeben. Andresen musste an die Worte der beiden Alten aus der Bäckerei denken. Einer der beiden hatte das Erbe von Günther und Brigitte Jochimsen als mögliches Motiv ins Spiel gebracht.
    »Mehr kann ich Ihnen nicht sagen«, kam Jochimsen zum Ende. »Sie war ein guter Mensch, der nicht viel Aufhebens um sich gemacht hat.«
    »Hatten Sie ein enges Verhältnis zu Ihrer Mutter?«, fragte Andresen.
    »Ist das wichtig? Was hat das mit Ihren Ermittlungen zu tun?«
    »Beantworten Sie bitte meine Frage«, beharrte Andresen.
    »Unser Verhältnis war in Ordnung. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Nach dem Tod meines Vaters gab es einige Dinge, die ich nicht akzeptiert habe. Das tut aber an dieser Stelle nichts zur Sache.«
    »Das Erbe?«, fragte Andresen.
    Jochimsen nickte.
    Andresen bemerkte, dass es Jochimsen schwerfiel, über die Beziehung zu seiner Mutter zu sprechen.
    »Hatte Ihre Mutter außerhalb der Schule noch andere Interessen? Sport, Kultur, regelmäßige Klönschnack-Treffen mit guten Freundinnen? War sie vielleicht in Vereinen aktiv, oder hatte sie ein Ehrenamt übernommen?«
    Jochimsen dachte angestrengt nach. Seine anfängliche Abwehrhaltung hatte er mittlerweile aufgegeben.
    »Sie ist regelmäßig geschwommen, aber nicht in einem Verein, sondern im Meer und in der Wakenitz.« Er hielt kurz inne, dann sagte er zögerlich: »Und sie war in den letzten Jahren im Kinderschutz aktiv.«
    Andresen fragte Jochimsen nach weiteren Details aus dem Leben seiner Mutter, doch er hatte das Gefühl, keine wichtigen Informationen mehr aus ihm herausholen zu können.
    »Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben«, sagte er schließlich. »Vorerst habe ich keine weiteren Fragen.« Er reichte Jochimsen zum Abschied die Hand.
    Im Flur drehte er sich noch einmal um. »Eine Frage hätte ich doch noch. Wissen Sie, ob Ihre Mutter in letzter Zeit Probleme in ihrem privaten Umfeld gehabt hat?«
    Jochimsen sah ihn irritiert an, als hätte er die Frage nicht verstanden.
    »Gab es vielleicht Personen, die einen Grund gehabt haben könnten, ihr etwas Böses zu wollen?«, präzisierte Andresen.
    »Soviel ich weiß, nein«, antwortete Jochimsen zögerlich. »Warum denn auch? Sie hatte doch nichts verbrochen, oder?«
    Andresen schüttelte den Kopf und verabschiedete sich endgültig.
    Als er im Auto saß, dachte er über das Gespräch und das Verhalten der Jochimsens nach. Zwischen den Zeilen hatte Bernd Jochimsen immer wieder einiges über sich und seine Mutter durchsickern lassen. Es war kein gutes Verhältnis zwischen Mutter und Sohn gewesen, da war er sich sicher. Nach dem Tod des Vaters hatten sich die beiden offenbar wegen des Erbes zerstritten und nie wieder zueinandergefunden. Vielleicht hatte Bernd seiner Mutter übel genommen, dass sie das elterliche Haus verkauft hatte. Zwischen Tochter und Mutter war der Kontakt in der Zwischenzeit sogar fast vollständig abgebrochen.
    Auf dem Weg zurück nach Lübeck telefonierte Andresen kurz mit Kregel, um sich auf den neuesten Stand bringen zu lassen. Kregel berichtete, dass Julia von ihrem Gespräch mit der Wasserschutzpolizei noch nicht wieder zurück sei. Er selbst hatte bereits mit einer Cousine von Katharina Kock gesprochen, glaubte jedoch nicht, dass sie ihnen weiterhelfen konnte.
    »Dann haben wir wohl die wichtigsten Gespräche noch vor uns«, stellte Andresen fest. »Hoffentlich

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