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Traveblut

Traveblut

Titel: Traveblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Schlennstedt
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attraktiven Enddreißigerin gepasst hätte. Zumindest nicht auf den Fotos.
    Mit Interesse hatte er verfolgt, wie Oliver Rehm in ihr Leben getreten war. Er erschien ganz plötzlich auf den Bildern. Seitenlang waren ausschließlich Fotos der beiden eingeklebt worden. Später wechselten die Motive wieder, und Rehm war nur noch selten zu sehen. Gelegentlich gab es in beiden Alben Stellen, an denen Fotos herausgetrennt worden waren.
    Stinknormale Fotoalben, dachte Andresen. Fast schon zu normal. Kindheit, Jugend, Freunde, Urlaub, Männer. Nichts Auffälliges. Keine Fotos, die sonst niemand sehen durfte.
    Er klappte das zweite Album auf und blätterte es noch einmal von vorn durch. Gab es wirklich nichts Ungewöhnliches? Warum fehlten eigentlich einige Fotos? Kurzerhand schnappte sich Andresen die Alben, klemmte sie unter den Arm und verließ die Wohnung.
    Vor dem Haus war mittlerweile die Hölle los. Ein halbes Dutzend Polizeiautos parkte auf der Straße, die komplett abgesperrt worden war. Überall standen Kollegen mit Funkgeräten in der Hand. Und es gab die üblichen Gaffer, die nichts Besseres zu tun hatten, als die Polizeiarbeit zu stören. Andresen erfuhr, dass sich Rehm in einem der angrenzenden Häuser versteckt hielt. Der Zugriff sollte in Kürze erfolgen. Er entschied, nicht zu warten und stattdessen zurück ins Präsidium zu fahren. Hier konnte er nichts mehr ausrichten.
    Auf seinem Schreibtisch lag erneut eine Nachricht über Roland Ensink. Andresen sollte sich doch bitte so schnell wie möglich bei ihm melden. Er atmete tief durch und warf den Zettel in seinen Papierkorb. Ensink musste warten, andere Dinge waren derzeit wichtiger.
    Andresen legte die Fotoalben nebeneinander auf den Tisch. Er wollte sie noch ein weiteres Mal durchblättern.
    Eine knappe Stunde später ließ ihn die Vermutung nicht mehr los, dass die fehlenden Fotos mehr zu bedeuten hatten, als er im ersten Moment geglaubt hatte. Obwohl er nicht wusste, wer die Bilder entwendet hatte, hatte er das Gefühl, dass sie einen wichtigen Hinweis auf den Mörder liefern würden.
    Um halb vier griff er sich seine Jacke und verließ das Büro. Ihm war eingefallen, dass er sich noch ein Bild von Brigitte Jochimsens Wohnung verschaffen wollte. Er besorgte sich den Schlüssel der Wohnung und nahm den Fahrstuhl in die Tiefgarage.
    Als er auf die Possehlstraße abbog, kam ihm ein knallroter Mini Cooper entgegen. Er erkannte Eva Matthis sofort. Trotz des Regenwetters trug sie eine Sonnenbrille. Im Rückspiegel sah Andresen, dass sie auf den Parkplatz des Polizeipräsidiums abbog. Ob Kregel oder Ida-Marie sie vorgeladen hatten? Gut möglich, dass sie ihnen doch noch helfen konnte. Immerhin stand sie Katharina Kock näher als gedacht und wusste wahrscheinlich besser als jeder andere über ihr Privatleben Bescheid.
    Brigitte Jochimsens Wohnung grenzte an den Stadtpark und war annähernd so groß wie Andresens Altstadthaus. Als er sie betrat, strömte ihm ein Geruch in die Nase, der ihn an früher erinnerte. An die Wohnung seiner Großmutter. Kein unangenehmer Geruch, aber penetrant, weil er in jeder Faser der Wohnung zu hängen schien. Er hatte nie richtig ergründen können, woher dieser Geruch stammte und warum er bei allen älteren Menschen gleich war.
    Die Wohnung deprimierte ihn bereits nach wenigen Sekunden. Dicke Teppiche, Holzvertäfelungen, schwere Polstermöbel, ausgestopfte Wildtiere. Die Einrichtung war grauenvoll. Er musterte das marderähnliche Tier, das auf einer dunklen Anrichte im Wohnzimmer stand und aussah, als würde es jeden Moment zum Sprung ansetzen. Es schüttelte ihn bei dem Gedanken daran, zwischen diesen Wänden leben zu müssen.
    Was sollte diese Frau mit Katharina Kock zu tun gehabt haben? Es gab keine offensichtliche Verbindung. Nur Gegensätze. Die miefige Wohnung passte nicht zu der hellen, unkomplizierten Wohnung von Katharina Kock.
    Andresen blickte aus dem Fenster. Die Frauen mussten sich nicht zwingend gekannt haben, überlegte er. Vielleicht waren sie einfach nur zufällig in das Beuteschema des Mörders gefallen. Wahrscheinlich existierte gar keine Verbindung zwischen ihnen. Sie hatten nichts miteinander zu tun. Der Mörder hatte seine eigenen Motive, mordete nach seinem persönlichen Plan. Andresen seufzte laut. Er wusste nicht, woran er glauben sollte.
    Er brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass sich die Wohnung bereits in Auflösung befand. Teile der Küche und des Schlafzimmers waren ausgeräumt, die persönlichen

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