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Traveblut

Traveblut

Titel: Traveblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Schlennstedt
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Dinge schienen ebenfalls größtenteils abgeholt worden zu sein. Er durchsuchte einige Schubladen und Schränke, blätterte Dokumente durch und sah sich mehrere Fotoalben an, ohne auf irgendetwas Interessantes zu stoßen. In der Küche fand er eine große Plastiktüte, in der er die Fotoalben verstaute. Er wollte sich auch Brigitte Jochimsens Bilder später noch einmal in Ruhe ansehen. Die Wohnung würde er wieder den ausgestopften Tieren überlassen.
    Auf dem Weg nach Hause rief er Kregel an. Ohne Erfolg. Auch die anderen Kollegen waren nicht zu erreichen. Im Präsidium wusste niemand, ob es Neuigkeiten bezüglich Oliver Rehm gab. Er wollte wissen, ob sie ihn mittlerweile festgenommen hatten, aber er musste sich wohl bis morgen gedulden.
    Andresen ließ sich in seinen Fernsehsessel fallen und blickte eine Weile ins Leere. Es gelang ihm einfach nicht, seine Gedanken von dem Fall zu lösen. Immer wieder ging er die Fakten durch in der Hoffnung, über den entscheidenden Hinweis zu stolpern. Um sich abzulenken, blätterte er seine Post durch, die seit Tagen liegen geblieben war. Rechnungen, Werbung, eine Mitteilung der Kirchengemeinde und ein handgeschriebener Brief, den er sich bis zum Schluss aufbewahrt hatte. Bereits am Umschlag hatte er erkannt, wer der Absender war. Der Lübecker Kunstverein.
    Er öffnete das Kuvert und zog eine Einladung für die nächste Ausstellungseröffnung heraus. Vergangenes Jahr war er mit Wiebke schon einmal bei einer dieser Veranstaltungen gewesen. Wiebke interessierte sich sehr für zeitgenössische und moderne Kunst und liebäugelte damit, in ihrem neuen Haus ein eigenes Atelier einzurichten.
    Andresen las in dem Schreiben, dass sich der Kunstverein als Forschungsstätte und Experimentierfeld für eine Kunst verstand, die gesellschaftliche und ästhetische Fragestellungen aufgriff. Er stellte sich vor, wie ergraute Herren und Damen in langen Gewändern mit rotweingefüllten Gläsern in den Händen um eine Plastik herumstanden und über die Wirkung des Schaffens auf die Weltpolitik diskutierten.
    Er schüttelte den Kopf und legte den Brief beiseite. Müde lehnte er sich zurück und schloss die Augen. Binnen weniger Minuten fiel er in einen leichten Schlaf. Erst gegen neun wurde er wieder wach. Sein Magen knurrte, und seine Zunge fühlte sich an wie eines der pelzigen Tiere aus Brigitte Jochimsens Wohnung. Er stand auf und ging hinunter in die Küche. Im Kühlschrank gab es nichts, mit dem er seinen Hunger hätte stillen können. Er trank ein Glas Leitungswasser und beschloss, noch einmal vor die Tür zu gehen und irgendwo eine Kleinigkeit zu essen.
    Er entschied sich für einen Döner bei seinem Lieblingstürken an der Untertrave. Auf dem Weg dorthin fing es an zu regnen. Kein normaler Regenschauer, es war ein Platzregen, der vom Himmel prasselte. Andresen lief die letzten Meter zu Mehmets Dönerbude und rutschte beinahe auf den glatten Fliesen aus, als er den kleinen Laden betrat.
    »Moin, Mehmet. Einen Dürüm Döner mit allem, bitte«, sagte er.
    »Mit scharf wie immer?«, fragte der Mann hinter der Theke, den alle nur Mehmet nannten.
    »Ein bisschen scharf, aber nicht zu viel.«
    »Geht klar.«
    »Dürüm Döner mit mittelscharf«, rief Mehmet einem Kollegen im Hintergrund zu.
    »Und eine Cola«, sagte Andresen.
    »Und Cola«, sagte Mehmet laut. Andresen kannte ihn gut. Er war häufig hier und Mehmet im Laufe der Jahre fast so etwas wie ein Vertrauter geworden.
    »Ich kannte die Kock. Sie ist 'ne Schlampe gewesen«, sagte Mehmet unvermittelt.
    »Was sagst du da?«, fragte Andresen erstaunt. »Woher kanntest du sie denn?«
    »Ich kenn Freund von ihr. Oliver Rehm. Feiner Kerl. Sie hat ihn nur verarscht. Er ist nicht Mörder. Wo steckt Oliver eigentlich?«
    »Das ist nicht wichtig«, antwortete Andresen kurz. »Sag mir lieber, was du sonst noch über Katharina Kock weißt.«
    »Sonst nix«, sagte Mehmet ausweichend und ging nach hinten zu seinem Kollegen. Nach einer Weile brachte er Andresen sein Essen und kassierte ab. Andresen aß in Ruhe und betrachtete das Geschehen im Laden. Beim Rausgehen blieb er am Tresen stehen und sah Mehmet an.
    »Ich würde mich gern ein bisschen ausführlicher mit dir über Katharina Kock und Oliver Rehm unterhalten. Aber nicht hier. Kannst du morgen aufs Präsidium kommen? Dauert auch nicht lange.«
    Mehmet blickte ihn grimmig an und antwortete nicht.
    »Gut. Dann erwarte ich dich morgen Vormittag. Du weißt ja, wo.«
    Andresen drehte sich um und ging in

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