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Traveblut

Traveblut

Titel: Traveblut
Autoren: Jobst Schlennstedt
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ihn zu kümmern, stattdessen wollte er Julia bei den Gesprächen unterstützen.
    Als sie gegen halb fünf mit den Befragungen fertig waren, hatte er das Gefühl, keinen entscheidenden Schritt weitergekommen zu sein. Die Aussagen der Lehrerinnen und Lehrer waren übereinstimmend gewesen und hatten nur wenig neue Erkenntnisse gebracht. Brigitte Jochimsen wurde als angenehme Kollegin beschrieben, die im Umgang mit Kindern allerdings einen autoritären Stil pflegte. Die schwere Krankheit ihres Mannes war einigen ihrer Kollegen in Erinnerung geblieben. Eine ältere Lehrerin berichtete, sie hätte den Eindruck gehabt, dass Brigitte Jochimsen keinen guten Draht zu ihren eigenen Kindern gehabt hätte.
    Über Katharina Kock wusste kaum jemand etwas zu berichten. In der kurzen Zeit, in der sie an der Blücher-Schule gewesen war, hatte sie einen sympathischen, aber unauffälligen Eindruck hinterlassen.
    Auch die Aussagen über Hanka Weichert waren durchweg positiv ausgefallen. Sie wurde als offene, freundliche Person beschrieben, die einem, falls es die Situation erforderte, zur Seite stand. Über diese Einschätzung war Andresen überrascht gewesen, hatte er doch Hanka Weichert verschlossener kennengelernt.
    Die Tür zu Gisela Sachs' Büro öffnete sich, und die Schulleiterin trat auf sie zu. Ihr Blick wirkte streng und entschieden. »Wir haben alle Unterlagen zusammen«, sagte sie. »Herr Lohberg wird Ihnen beim Raustragen behilflich sein. Neun dicke Aktenordner. Ich hoffe, das wird Ihnen weiterhelfen.«
    »Ganz bestimmt. Vielen Dank für Ihre Mühe.«
    »Sind Sie mit Ihren Gesprächen fertig geworden?«
    »Ja, wir werden den Schulablauf vorerst wohl nicht noch einmal stören müssen. Es sei denn, wir finden etwas in den Akten, dem wir nachgehen müssen.« Andresen verabschiedete sich und trug die Akten gemeinsam mit Julia und Lohberg zum Auto.
    »Hast du heute Abend schon etwas vor?«, fragte Andresen, als sie wieder in seinem Volvo saßen.
    Julia sah ihn scharf an. Dann lächelte sie. »Hast du nicht genügend Baustellen? Willst du jetzt ernsthaft auch noch mit mir ausgehen?«
    »Moment mal«, sagte Andresen. »Sprichst du von Ida-Marie und mir? Woher weißt du das?«
    »Das fragst du noch?«
    »Hast du etwa Sibius davon erzählt?«
    »Ich?«, fragte Julia erstaunt. »Ganz bestimmt nicht. Zähl einfach mal eins und eins zusammen, dann sollte dir klar werden, wer ein Interesse daran hat, die Sache mit Ida-Marie und dir weiterzutratschen.«
    »Es gibt keine Sache mit Ida-Marie und mir.« Andresens Rechtfertigungsversuch scheiterte kläglich. Irritiert schüttelte er den Kopf. Er verstand nicht, was Julia ihm gerade sagen wollte.
    »Was willst du denn nun eigentlich heute Abend von mir?«, fragte Julia. »Soll ich dir helfen?«
    Andresen deutete auf die Rückbank. »Wir haben eine Menge Akten, die durchgearbeitet werden müssen. Und je schneller wir das erledigt haben, desto besser.«
    »Von mir aus können wir eine Nachtschicht einlegen. Ich habe heute Abend noch nichts vor.«
    Andresen lächelte und startete den Motor.
    Zurück im Polizeipräsidium kam ihnen Ida-Marie auf dem Flur der Mordkommission entgegen.
    »Suchst du uns?«, fragte Andresen. Obwohl er in ihrer Gegenwart noch immer ein flaues Gefühl in der Magengegend verspürte, versuchte er, sich nichts anmerken zu lassen.
    »Eigentlich nicht«, antwortete sie fahrig. »Aber ich kann euch kurz von meinen Gesprächen heute Nachmittag berichten. Ben hatte mich gebeten, noch einmal mit Hanka Weichert wegen des Fotos, auf dem sie mit Brigitte Jochimsen und Katharina Kock zu sehen ist, zu sprechen.« Sie ging weiter in Richtung des Kopierers. »Ich muss nur noch schnell eine Kopie machen, dann bin ich bei euch.«
    Andresen und Julia trugen die Aktenordner in den Besprechungsraum und breiteten sie auf dem Tisch aus. Am Automaten im Flur besorgte Andresen anschließend Kaffee für alle. Auch Ida-Marie war in der Zwischenzeit zurück.
    »Wir haben hier sämtliche Akten der Blücher-Schule aus dem entsprechenden Jahr«, begann er, nachdem alle Platz genommen hatten. »Ich möchte, dass wir sie durchforsten, bestenfalls so lange, bis wir etwas gefunden haben, das uns weiterhilft. Aber erzähl doch vorher erst mal von deinen Gesprächen.« Andresen nickte Ida-Marie zu, ohne ihr in die Augen zu sehen.
    Ida-Marie berichtete, dass Hanka Weichert das Foto und somit auch Katharina Kock sofort erkannt hatte. Es war allerdings, wie sie vermutet hatten. Die beiden Frauen hatten kaum
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