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Traveblut

Traveblut

Titel: Traveblut
Autoren: Jobst Schlennstedt
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die Gedanken an sein Privatleben beiseite und legte die Kopien der Tagebucheinträge vor sich auf den Tisch. Er musste dringend eine Ordnung in Brigitte Jochimsens Notizen bringen. So, dass er sie verstehen konnte.
    Da war dieser kleine Bengel, der, so nahm es Andresen an, ein Schüler gewesen war. Dann gab es Bernd und Ulrike, Sohn und Schwiegertochter. Die beiden hatte Andresen bereits kennengelernt. Günther war ihr Mann gewesen, auch hier bestand kein Zweifel.
    Sein Finger glitt weiter nach unten. Es gibt angeblich jemanden, der einen Verdacht hat. Wen meinte sie damit? Warum hatte sie den Namen nicht erwähnt? Auf jeden Fall war die Person weiblich, das ging aus den Zeilen hervor.
    Andresen las die Zeilen noch einmal. Da war noch jemand. Brigitte Jochimsen erwähnte sie nur indirekt, aber sie schrieb, dass sie die beiden bei irgendetwas erwischt hätte.
    Er stellte fest, dass er dabei war, den Überblick zu verlieren. Seine Konzentration war ihm abhandengekommen. Er nahm sich ein leeres Blatt und schrieb die Namen der Personen auf. Dabei bildete er zwei Spalten. In die linke trug er Bernd und Ulrike Jochimsen ein. Auf der rechten Hälfte notierte er »Bengel«, »Unbekannt 1 (weiblich)« und »Unbekannt 2« . Günther ordnete er nicht zu, da er für die Ermittlungen keine Rolle spielte.
    Anschließend versuchte er, die Tagebucheinträge inhaltlich zu strukturieren. Offensichtlich gab es private und berufliche Themen, die Brigitte Jochimsen beschäftigt hatten. Aber was hatte sie gemeint, als sie schrieb: Habe die beiden heute erwischt. Ich kann das nicht länger mit ansehen .
    Mit dem Eintrag vom 14. August bezog sich Brigitte Jochimsen ohne Zweifel auf Vorfälle an der Blücher-Schule. Es schien ein Zusammenhang zwischen dem Bengel und der Person zu bestehen, mit der sie noch einmal sprechen wollte. Vielleicht die Mutter des Jungen? Sein Blick fiel wieder auf den Eintrag vom 21. August. Wen hatte Brigitte Jochimsen erwischt? Und vor allem wobei? Er legte den Stift beiseite und fasste sich an die Schläfen. Was hatte Brigitte Jochimsen bloß gemeint?
    Es gibt angeblich jemanden, der einen Verdacht hat. Ich bin mir aber sicher, dass sie keine Details kennt. Trotzdem sollte ich ihr den Wind aus den Segeln nehmen.
    Vielleicht ist es besser, wenn ich nicht länger schweige. Fühle mich immer unwohler in meiner Haut.
    Wer war dieser Jemand ? Hatte sie etwa dieselben Befürchtungen wie Brigitte Jochimsen selbst gehabt? Oder waren sie und der oder die Unbekannte womöglich ein und dieselbe Person? Aber auch das schien Andresen unlogisch. Er kam einfach nicht weiter.
    Irgendetwas war mit diesem Kind, dem Bengel . Da war er sich sicher. Ein Junge, der in die vierte Schulklasse ging, hatte sich wieder krankschreiben lassen. Das muss endlich aufhören. Ich werde mit ihr sprechen müssen.
    Was nur sollte aufhören? War das die zentrale Frage ihrer Ermittlungen? Er musste noch einmal mit Gisela Sachs sprechen. Vielleicht wusste sie doch mehr, als sie ihm bei ihrem ersten Gespräch erzählt hatte. Wenn an der Blücher-Schule damals tatsächlich irgendetwas vorgefallen war, musste sie als Schulleiterin doch etwas mitbekommen haben.
    Sein Telefon klingelte. Eine Lübecker Nummer.
    »Andresen, Kripo Lübeck.«
    »Janine Peters hier.«
    Andresen stand auf dem Schlauch. Er konnte den Namen nicht zuordnen.
    »Wir hatten im Sachers miteinander gesprochen. Es ging um die Morde, die hier in der Nähe verübt worden sind.«
    »Ich erinnere mich. Was kann ich für Sie tun?«
    »Mir ist doch noch etwas eingefallen«, sagte sie. »Sie hatten mich ja gefragt, ob mir irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen ist. Tatsächlich habe ich in den vergangenen Wochen des Öfteren einen Fahrradfahrer mit einem Anhänger beobachtet.«
    »Können Sie etwas konkreter werden?«
    »So ein schwarz gekleideter Typ fuhr hier ständig mit seinem Drahtesel am Kanal herum. Mich hätte das wahrscheinlich gar nicht gewundert, aber mir kam es vor, als beobachte der Mann irgendetwas.«
    »Was kann das gewesen sein?« Andresen war plötzlich ganz Ohr.
    »Es sah so aus, als spähe er die Umgebung aus«, antwortete Janine Peters. »Er stand manchmal am Kanal oder hinter den Bäumen.«
    »Sie sagten, es sei ein Mann gewesen. Wie sah er aus?«
    »Tut mir leid, aber so genau habe ich nicht hingeschaut. Dass die Person männlich war, habe ich an seinem Gang erkannt. Das ist aber auch alles.«
    »Können Sie das Fahrrad und den Anhänger beschreiben?«
    »Oje«, seufzte
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