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Traveblut

Traveblut

Titel: Traveblut
Autoren: Jobst Schlennstedt
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etwas miteinander zu tun gehabt, sodass sich Hanka Weichert zunächst nicht mehr an sie erinnert hatte.
    »Anschließend bin ich zu dieser krankgeschriebenen Lehrerin gefahren. Sie war gerade dabei zu packen und wollte verreisen. Auskurieren bei ihrer Schwester an der Nordsee.«
    »Hast du trotzdem mit ihr sprechen können?«
    »Ja, aber Fehlanzeige. Nichts, was uns helfen würde.«
    »Dann wissen wir also, dass wir auf diesem Weg nicht weiterkommen«, resümierte Andresen. »Umso mehr hoffe ich darauf, dass uns die Akten helfen.«
    Die drei nahmen sich jeder einen Ordner vor und tauchten ein in eine Welt, die sie selbst vor Jahren verlassen hatten. Eine Welt, die aus Zeugnissen, Klassenbüchern und Sitzungsprotokollen bestand. Gegen halb neun hatten sie fast alle Ordner durchgearbeitet, ohne auf einen nennenswerten Vorfall oder Unregelmäßigkeiten gestoßen zu sein.
    »Langsam verliere ich die Hoffnung«, murmelte Julia.
    »Nicht aufgeben«, sagte Andresen. »Wir haben immerhin noch die Schülervermerke vor uns.« Er versuchte, optimistisch zu klingen, scheiterte jedoch. Ihm war anzuhören, dass auch bei ihm allmählich die Hoffnung schwand, etwas Brauchbares zu finden.
    »Warum sollen uns denn ausgerechnet Informationen über Viertklässler den entscheidenden Hinweis bringen?«
    Andresen blickte Ida-Marie verwundert an. Ihm fiel ein, dass sie das Tagebuch nicht gelesen hatte. In aller Kürze klärte er sie über die Einträge von Brigitte Jochimsen auf. »Irgendwo muss etwas sein, das auffällig ist. Ich bin mir sicher. Brigitte Jochimsen hat von einem ›Bengel‹ geschrieben. Vielleicht finden wir heraus, wer dieser Bengel gewesen ist.«
    »Du glaubst also, dass dieser Junge etwas mit der Sache zu tun hat?«, fragte Julia.
    »Wenn ich das wüsste, hätte ich mir die letzten zwei Stunden sparen können. Wir müssen nach jedem Strohhalm greifen, auch wenn er noch so klein ist. Oder habt ihr eine bessere Idee?«
    Julia schüttelte den Kopf und schlug stattdessen den letzten Aktenordner auf. Noch mehr Zeugnisse, Klassenarbeiten und Protokolle. Und außerdem die Schülervermerke. Ein Wust aus Papieren.
    Andresen massierte seine Schläfen und konzentrierte sich ein letztes Mal. Zehn Jahre lag das Ganze zurück. Es war im August gewesen. Wahrscheinlich hatte die Vorgeschichte schon früher begonnen. Irgendetwas war an dieser Schule passiert oder zumindest in deren Umfeld. Zehn Jahre später sterben zwei Frauen, eine weitere kann dem Täter knapp entkommen. Alle drei Frauen waren Lehrerinnen an dieser Schule gewesen. Genau zur selben Zeit, vor zehn Jahren. Irgendetwas musste die Taten doch ausgelöst haben.
    Ein Tagebuch mit kryptischen Einträgen. Noch mehr Unbekannte in den ohnehin schon schwierigen Ermittlungen. Eine Frau, die nur als Jemand bezeichnet wird. Zwei weitere Personen, die bei irgendetwas erwischt worden waren. Vielleicht war eine davon Jemand gewesen. Und dann gab es noch diesen Bengel, der sich hatte krankschreiben lassen.
    Wonach suchte er bloß? Nur ein kleiner Kommentar vielleicht, ein Tadel, schlechtere Leistungen, eventuell ein Lehrergespräch.
    Jimmy Vosberg. Wirkt seit den Sommerferien verstört. Stark in sich gekehrt. Vermutung: Probleme im sozialen Umfeld.
    Im ersten Moment hatte Andresen einfach weitergelesen, ohne zu verstehen. Erst nach und nach wurde ihm die Bedeutung des Vermerks bewusst. Es waren nur diese wenigen Sätze, die ihn hellhörig gemacht hatten, aber sie hatten ausgereicht. Und plötzlich schrillten seine Alarmglocken.
    Er suchte hektisch nach weiteren Vermerken, fand jedoch keine. Er ging die Protokolle der Lehrerkonferenzen durch. Nichts. Keine Rüge, kein Tadel. Nichts. Nur dieser eine kurze Vermerk. Er nahm sich das Zeugnis zur Hand. Aber auch das brachte keine Erkenntnisse. Es gab kein weiteres Anzeichen für einen gravierenden Einschnitt in Jimmy Vosbergs Leben. Nur diese eine Bemerkung von …
    Andresen hielt inne. Wer hatte den Vermerk in den Unterlagen eigentlich vorgenommen? Er suchte vergeblich nach einem Namen oder einem Kürzel. Er verglich die Handschrift mit anderen Einträgen, es gelang ihm jedoch nicht, sie auf diese Weise zu identifizieren.
    Andresen lehnte sich in seinem Stuhl zurück und faltete die Hände hinter dem Kopf. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass dieser »Bengel« Jimmy Vosberg war?
    »Ich weiß nicht, ob es wirklich etwas zu bedeuten hat, aber ich habe etwas gefunden«, sagte er schließlich.
    Ida-Marie und Julia blickten auf und sahen ihn
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