Traveler - Roman
Zeit mit professionellen Lügnern. Auf Dauer kann das sehr ermüdend sein.«
»Ich will nur einen Rat, Maggie. Ich bitte dich nicht darum,
dich auf etwas einzulassen, was dich in Gefahr bringen könnte.«
»Das Leben ist gefährlich. Das macht es so interessant.« Sie leerte das Glas Cognac und fasste einen Entschluss. »Schön. Ich werde dir helfen. Immerhin geht es um eine Mitzwa, da kann ich meine nicht ausgelebten Muttergefühle demonstrieren.« Maggie öffnete einen Küchenschrank und nahm ein Pillenfläschchen heraus. »Und nun tu mir einen Gefallen und nimm ein paar Vitamine.«
ZWEIUNDZWANZIG
A ls Victory From Sin Fraser acht Jahre alt war, erzählte ihr ein Cousin, der in Los Angeles zu Besuch war, wie sich ein mutiger Harlequin für den Propheten geopfert hatte. Die Geschichte war so mitreißend, dass Victory sich sofort zu dieser geheimnisvollen Gruppe von Beschützern hingezogen fühlte. Als Vicki älter wurde, versuchten ihre Mutter Josetta und der Pastor, Reverend J. T. Morganfield, ihre Verbindung zu Schuld nicht abbezahlt zu unterbinden. Eigentlich war Vicki Fraser eine treue Kirchendienerin, aber in dieser Frage beharrte sie auf ihrem Standpunkt. Schuld nicht abbezahlt war ihr Ersatz für Alkohol und nächtliche Ausflüge, ihr einziger wirklicher Akt des Aufbegehrens.
Josetta tobte, als ihre Tochter ihr gestand, sie habe sich am Flughafen mit einem Harlequin getroffen. »Du solltest dich schämen«, schimpfte sie. »Der Prophet sagt, dass es eine Sünde ist, sich seinen Eltern zu widersetzen.«
»Der Prophet sagt auch, dass man kleinere Regeln brechen darf, wenn man Gottes großem Willen folgt.«
»Die Harlequins haben mit Gottes Willen nichts zu tun«, entgegnete Josetta. »Sie schneiden dir die Kehle durch und ärgern sich darüber, dass du auf ihre Schuhe blutest.«
An dem Tag, als Vicki am Flughafen gewesen war, tauchte ein Wagen der Elektrizitätswerke in der Straße auf. Ein Schwarzer und zwei weiße Kollegen begannen, an den Strommasten hochzuklettern und die Leitungen zu überprüfen. Aber Josetta ließ sich nicht täuschen. Die falschen Arbeiter machten zwei Stunden Mittagspause und schienen mit ihrer
Aufgabe nie fertig zu werden. Den ganzen Tag über stand einer von ihnen bloß herum und sah zum Haus der Frasers. Josetta befahl ihrer Tochter, im Hause zu bleiben und sich vom Telefon fern zu halten. Reverend Morganfield und andere Kirchenmitglieder zogen ihre besten Sachen an und kamen nacheinander zum Gebet vorbei. Niemand sollte die Tür eintreten und diese Jungfrau Gottes entführen.
Vicki bekam Schwierigkeiten, weil sie Maya geholfen hatte, aber sie bereute es nicht. Nie hatte ihr je ein Mensch einmal zugehört; nun sprach die gesamte Gemeinde nur noch über das, was sie getan hatte. Da sie nicht aus dem Haus gehen konnte, dachte sie viel über Maya nach. War der Harlequin in Sicherheit? Hatte jemand sie ermordet?
Drei Tage nach ihrem Akt des Ungehorsams schaute sie aus einem Hinterfenster, als Maya über den Zaun sprang. Einen Moment lang hatte Vicki das Gefühl, als hätte sie den Harlequin aus ihren Träumen heraufbeschworen.
Maya lief über den Rasen und zog eine Automatikpistole aus ihrer Manteltasche. Vicki stieß die gläserne Schiebetür auf und winkte. »Seien Sie vorsichtig«, rief sie. »Draußen auf der Straße arbeiten drei Männer. Sie tun so, als kämen sie von den Elektrizitätswerken. Wir glauben aber, dass sie zur Tabula gehören.«
»Waren sie im Haus?«
»Nein.«
Maya nahm ihre Sonnenbrille ab und ging vom Wohnzimmer in die Küche. Sie ließ die Waffe in ihrer Tasche verschwinden, aber ihre rechte Hand ruhte auf dem metallenen Schwertköcher, der über ihrer Schulter hing.
»Haben Sie Hunger?«, fragte Vicki. »Soll ich Ihnen ein Frühstück machen?«
Der Harlequin stand an der Spüle und scannte mit seinem Blick jedes einzelne Objekt im Raum. Und plötzlich sah Vicki die Küche neu, zum ersten Mal im Leben. Die avocadogrünen Töpfe und Pfannen. Die Wanduhr aus Plastik. Das putzige
kleine Bauernmädchen auf der Keramikspüle. Alles vermittelte Normalität, Sicherheit.
»Shepherd war ein Verräter«, erklärte Maya. »Er arbeitet für die Tabula. Und Sie haben ihm geholfen. Was bedeuten könnte, dass Sie ebenfalls eine Verräterin sind.«
»Ich habe Sie niemals hintergangen, Maya. Das schwöre ich beim Namen des Propheten.«
Der Harlequin wirkte müde und verletzlich. Maya hörte nicht auf, sich in der Küche umzusehen, so als könnte sie jeden
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