Treffpunkt Irgendwo
denen anfragen sollte.
Dann endlich, am Dienstag vor Ostern der erste Erfolg. Unweit der Admiralsbrücke in Kreuzberg stieß ich auf Ella. Sie brauchte etwas, bis sie mich erkannte. Auf meine Frage nach Len hin erklärte sie mir, sie wisse auch nicht genau, wo er momentan abhängen würde, doch sie hätte ihn gestern Abend am Kottbusser Tor getroffen. Er hätte echt scheiße ausgesehen und sie nach den Terminen des Fix-Mobil gefragt.
»Das Fix-Mobil?«, fragte ich irritiert, da ich den Begriff noch nie gehört hatte.
»Is so ’n Gesundheitsdings. ’ne mobile Praxe für Junkies.«
»Wie, ich…«
»Pass uff, ja. Da kannste dir bei Krätze und so helfen lassen. Wenn de dich irgendwie infiziert hast. Aber die ham och Kondome und Spritzen.« Sie sah mich dabei herablassend an und genoss es offenbar, mir Angst einzujagen. »Ick hab ihm jesacht, die sind wieder morgen ab 13:00 Uhr da. Wat willste denn eigentlich von Len. Noch immer wegen dit Handys?«
Ich habe ihr keine Antwort gegeben und bin einfach weggegangen. Ich war total fertig. Damit hatte ich nicht gerechnet. Was wollte Len in so einem Gesundheitsmobil für Junkies. War er etwa ein Fixer? Und wenn ja, was dann?
In der Nacht habe ich nicht viel geschlafen. Ich habe in meinem Bett gelegen und mit mir gehadert. Bilder von Len, wie er sich eine Spritze setzte; Len, wie er am Bahnhof Zoo stand und auf einen Freier wartete; Len, wie er total high und stoned jemanden mit einem Messer bedrohte. Es war grausam, aber ich konnte nichts gegen diese Vorstellungen machen. Ich weiß nicht, wann ich schließlich doch eingeschlafen bin.
Es musste irgendwann in den frühen Morgenstunden gewesen sein, denn ich weiß noch, ich hatte bereits die ersten Vögel gehört.
Dementsprechend zerschlagen und müde wachte ich am nächsten Tag spät auf. Es war bereits kurz vor zwölf. Hatte ich noch in der Nacht den Entschluss gefasst, das Ganze zu beenden, mich nicht mit einem Fixer einzulassen, so war dieser Entschluss bereits nach dem Aufstehen wieder hinfällig.
Wenn Len ein Junkie war, dann war vielleicht ich der einzige Grund für ihn, davon wieder loszukommen. Okay, ich hatte, was Drogensucht betraf, keine wirkliche Ahnung, doch in den letzten Tagen hatte ich während meiner Suche nach Len eine Menge Leute gesehen, die echt auf Droge waren. So wie die hatte Len einfach nicht ausgesehen. So fertig war er nicht. Und wenn er womöglich aus Frust über mich und diese ganze komische Situation damit angefangen hatte, dann war das alles noch frisch, dann konnte er damit sicher wieder aufhören.
All das beschäftigte mich und die Antwort auf all diese Fragen würde ich erst bekommen, wenn ich Len gefunden hätte. Und daher bin ich nach zwei Tassen Kaffee umgehend wieder mit der S2 Richtung Innenstadt, diesmal mit dem Ziel Kottbusser Tor. Inzwischen kannte ich mich in Berlin-Mitte, sowohl was die ehemaligen Ost- als auch die Westteile der Stadt betraf, gut aus.
Von der Homepage des Vereins Fixpunkt wusste ich, wo ich das Gesundheitsmobil finden würde. In der Reichenbachstraße. Und da war es auch.
Ich stand auf der anderen Straßenseite. Unschlüssig wartend, wusste nicht, würde Len wirklich kommen, war er bereits da gewesen? Und wie sollte ich mich ihm gegenüber verhalten? Die schrieben auf ihrer Seite, der Bus würde Mittwoch ab 12:00 Uhr hier stehen, nun war es bereits kurz nach eins.
Die Tür des Busses ging auf und da war er.
»Len!«, rief ich über die Straße hinweg.
Er zuckte zusammen. Sah zu mir herüber, für einen Moment schien es mir, als wolle er flüchten, dann jedoch sackten seine Schultern herab und er kam auf mich zu.
Ich hatte mir unser Wiedersehen irgendwie romantisch vorgestellt. Ein bisschen wie in den Filmen. Dass wir uns sehen würden, unausgesprochen alles gesagt wäre, dass sich unsere Hände finden würden und, ja, einfach alles gut werden würde. Womöglich etwas Bammel, eine gewisse Unsicherheit und ein paar ungläubige Blicke, als ob wir beide einfach nicht fassen könnten, was da zwischen uns geschah. Irgendwie so hatte ich mir das vorgestellt.
Stattdessen kam ein verdreckter Kerl auf mich zu, der eine Art Ausschlag am Hals hatte. Großflächig verkrusteter Schorf zog sich auf der rechten Halsseite vom Sweatshirtkragen hoch bis hinter das linke Ohr. Es sah wirklich schlimm aus. Die Augen, die mich bei allen bisherigen Treffen so fasziniert hatten, waren ohne Glanz und jeglichen Ausdruck.
»Hallo, Jana!«, sagte Len leise.
»Hallo, Len.« Ich
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