Treffpunkt Irgendwo
hast ihn tief verletzt. Und er macht sich halt seine Gedanken. Und dass du, ohne uns auch nur zu verständigen, einfach weggeblieben bist… da kann er nicht einfach gleich wieder normal sein. Da ist er anders als ich.«
»Ich weiß.«
»Du, also, ich habe mir da den ganzen Tag schon Gedanken gemacht. Du hast erzählt, dieser… Len sei krank. Ist es was Ernstes?«, fragte meine Mutter mitfühlend.
»Eine Erkältung. Er hustet tierisch.«
»Nicht, dass das zu einer Lungenentzündung wird. War er beim Arzt?«
»Glaube ich nicht.«
»Sollte er aber.« Meine Mutter war richtig besorgt. »Von einer Kollegin der Junge ist fast daran gestorben. Die dachten auch anfangs, nur so ein Husten, dann spuckte der Junge plötzlich Blut und schließlich lag er auf der Intensivstation. Da muss man echt aufpassen. Der sollte in jedem Falle zu einem Arzt oder ins Krankenhaus, um das abzuklären.«
»Ich weiß nicht mal, ob er versichert ist.«
»Notfälle werden immer behandelt.«
»Ach, dem geht es sicher schon wieder besser.«
»Kannst du ihn nicht anrufen?«
»Nein. Len hat kein Handy.«
»Das…« Meine Mutter zögerte. »Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber ich würde gerne wieder normal mit dir umgehen. Dir wieder vertrauen. Wenn du mir zusagst, spätestens um… sagen wir elf Uhr, wieder hier zu sein, an dein Handy gehst, wenn ich dich anrufe, dann würde ich dir vorschlagen, fahr zu ihm und sieh nach, wie es ihm geht.«
»Meinst du das ernst?«
Sie nickte. »In der Hoffnung, dass du mich nicht enttäuschst. Ich weiß zwar noch nicht, wie ich das deinem Vater verkaufen soll, aber, los, sieh nach ihm.«
»Danke, Mama!« Ich sprang auf und umarmte sie. »Du bist echt cool.«
Kapitel 14
D a ich keinen Schlüssel hatte, musste ich klingeln. Grell tönte die Klingel durch die alte Holztür, dann hörte ich Schritte. Mir fiel ein Stein vom Herzen. All die Gedanken, die ich mir die Fahrt über gemacht hatte, waren überflüssig gewesen. Len war da. Er war nicht abgehauen, er wartete auf mich.
»Ich bin es!«, rief ich halb laut, die Tür ging auf. Eilig schob ich mich hinein.
»Hallo!« Ich umarmte Len stürmisch. »Alles okay?«
»Klar, schön, dass du gekommen bist. Mir war schon richtig langweilig.« Er drückte mich fest an sich, und das fühlte sich unendlich gut an. Er roch sauber und warm, sogar rasiert hatte er sich.
»Ging nicht anders, Schule und so«, erklärte ich, während ich ihn weiter fest umklammerte. »Und dann musste ich noch meine Eltern beruhigen. Erfolgreich, sie wissen, dass ich jetzt bei dir bin. Und es ist okay für sie, zumindest für meine Ma«, erklärte ich ihm euphorisch. »Aber um elf Uhr muss ich wieder zurück sein.«
»Klingt gut.« Len löste sich aus der Umarmung.
»Wie war dein Tag?«, fragte ich, während ich ihm ins Wohnzimmer folgte.
»Ganz okay. Ich habe meine Sachen gewaschen, gelesen und geschlafen.«
Erst jetzt fiel mir der Wäscheständer mit T-Shirts, Socken und Unterhosen auf, der vor der Heizung stand.
»Wollen wir zusammen was kochen?«, schlug ich vor. »Ich habe heute noch nichts Richtiges gehabt. Ich kann schnell was einkaufen.«
»Ich hätte mal wieder Bock auf Mirácoli, so richtig mit Hackfleisch.« Len drückte mich sanft aufs Sofa. »Aber ich gehe einkaufen. Ich muss unbedingt mal raus. Ich war den ganzen Tag drin, weil ich ja nicht wusste, ob und wann du kommst. Ich wollte nicht, dass du vor verschlossener Tür stehst.«
»Ich kann doch mitkommen?«
»Nein, du wartest hier.«
»Aber ich würde gerne mitkommen!«, beharrte ich.
»Vertrau mir doch einfach. Ich komme wieder.«
»Das ist doch nicht deshalb…« Ich gab auf.
»Bis gleich.« Len verschwand im Flur, dann hörte ich die Tür gehen.
Es war befremdlich so ganz allein der Wohnung. Unschlüssig saß ich ein paar Sekunden auf dem Sofa, dann machte ich einen kurzen Rundgang. Die Waschmaschine in der Küche war mir am Vortag gar nicht aufgefallen. Das Schlafzimmer war augenscheinlich unverändert. Im Badezimmer waren Waschbecken, Klo und Wanne geputzt, in einem Glas auf der Ablage stand eine Zahnbürste in einem Wasserglas. Ich schlenderte zurück ins Wohnzimmer. Neben dem braunen Sessel stand seine Reisetasche. Der Reißverschluss war aufgezogen. Fast hätte ich einen Blick hineingeworfen, doch dann kam mir das schäbig vor. Ich wollte nicht seine Sachen durchwühlen, so war ich nicht.
Also setzte ich mich wieder auf das Sofa. Auf dem Tisch neben dem zu einem Aschenbecher
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