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Treffpunkt Irgendwo

Titel: Treffpunkt Irgendwo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fuchs
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erfüllte sich nicht. Das Küchenfenster neben dem Eingang war hell erleuchtet, ich konnte durch die Ziergardine hindurch meine Eltern am Küchentisch sitzen sehen. Also holte ich tief Luft und schloss die Eingangstür auf.
    »Bin wieder da!«, rief ich betont unbekümmert. Keine Antwort. Ich habe meine Jacke ausgezogen und an die Garderobe gehangen und bin in die Küche.
    »Hallo.«
    Meine Mutter sah von der Tageszeitung auf und sagte müde: »Schön, dass du wieder da bist.«
    Mein Vater sagte nichts, sah mich auch nicht an, sondern blickte starr weiter auf seinen Teil der Tageszeitung.
    »Willst du einen Kaffee?«, fragte meine Mutter.
    »Nein, danke. Ich muss auch gleich in die Schule.«
    »Wo warst du?«
    »Also, ich… ich habe mich gestern mit Len getroffen. Er ist krank, erkältet. Er wohnt vorübergehend bei Ella in Rummelsburg in so einer Bauwagensiedlung. Ihr wisst schon, die Rollheimer«, erzählte ich. Mal wieder eine Lüge, die ich mir während der Fahrt überlegt hatte. »Und ich habe mir Sorgen um Len gemacht. Bin bei ihm geblieben, dann war es plötzlich so spät und so kalt und ich hatte Schiss den langen Weg zurück. Len hat angeboten, mich zu begleiten, doch er hatte Fieber, der konnte kaum aufstehen. Also bin ich geblieben.«
    »Warum hast du nicht angerufen?«
    »Weil…« Ich stockte. »Weil ich Angst hatte, ihr würdet Nein sagen und dann… dann wäre ich trotzdem geblieben und… das wollte ich nicht. Mama, er ist krank!«
    »Jana!« Mein Vater faltete die Zeitung zusammen, stemmte sich am Tisch hoch und sah mich kalt an. »Ich glaube dir kein Wort.« Dann schob er sich an mir vorbei aus der Küche, griff sich seine dunkelbraune Lederschultasche, die Jacke und ging.
    »Papa macht sich Sorgen«, sagte meine Mutter leise. »Und ich auch. Das kennen wir von dir gar nicht. Bislang konnten wir uns immer auf dich verlassen.«
    »Das könnt ihr doch jetzt auch!«
    »Nein.« Meine Mutter schüttelte den Kopf. »Das können wir nicht mehr, und das weißt du. Wir können nur noch hoffen.«
    »Mama, ich mache nichts Schlimmes! Ich helfe jemandem!«
    »Ach?« Sie sah mich fragend an. »Bist du dir da sicher? Jana, wie kannst du dir so sicher sein, dass du, wie sage ich das, nicht gefährdet bist. Bist du wirklich so stark, dass du jemanden wie Len schultern kannst. Jana, Papa und ich haben schon zur Genüge erlebt, wie der Retter selbst ertrunken ist.«
    »Ich schaffe das!«
    »Du bist so naiv.« Meine Mutter sah auf die Uhr. »Ich muss los, gehst du auch zur Schule oder ist das bereits nicht mehr wichtig auf deinem neuen Weg?«
    »Natürlich gehe ich weiter zur Schule.«
    »Bin ja mal gespannt, wie lange noch.« Sie stand auf. »Papa solltest du in der nächsten Zeit lieber aus dem Weg gehen. Der ist richtig sauer. Er wollte die Polizei rufen. Wenn du noch einmal so etwas bringst und nicht einmal ans Handy gehst, wird er das auch machen. Jana, du bist siebzehn, wir sind für dich verantwortlich. Auch rechtlich. Wir müssen wissen, wo du bist.«
    Ich nickte kleinlaut. »Tut mir leid.«
    »Das reicht nicht.« Auch sie schob sich an mir vorbei aus der Küche, nahm ihre Sachen und ging ohne ein weiteres Wort.
    Wie sich meine Eltern benahmen, machte mich fertig. Wieso reagierten sie so, ich kannte sie anders. Ich hatte mit endlosen Debatten gerechnet, dass mein Vater mich anbrüllen würde, doch warum waren sie so kalt? Ich ließ mich auf den Platz meiner Mutter fallen und hätte am liebsten geweint. Leider hatte ich mich bereits bei Len leer geweint. Ich spürte, wie es mir den Brustkorb zuschnürte, mir die Luft nahm, ich hatte das Gefühl, den Boden unter mir zu verlieren, ein Loch tat sich vor mir auf und ich fiel hinein.
    Als ich wieder aus meiner Leere erwachte, war es halb neun. Ich musste zur Schule. Das hatte ich meiner Mutter zugesagt. Wie ferngesteuert ging ich hoch in mein Zimmer, packte meinen Schulrucksack und bin los.
    Ich schaffte es noch rechtzeitig, mit dem Klingeln zur zweiten Stunde das Klassenzimmer zu betreten. Ein kurzer Blick rüber zu Mia. Ich konnte in ihrem Gesicht lesen, was sie dachte: Warum bist du nicht ans Telefon gegangen, du hattest versprochen, mich anzurufen, Jana, was ist los?
    Ich zuckte mit den Schultern, dann versuchte ich, mich auf den Deutschunterricht zu konzentrieren.
    In der Pause passte Mia mich ab, zog mich hinter sich her runter auf den Schulhof und baute sich dann vor mir auf.
    »Sag mal, spinnst du?!«, begann sie. »Hast du sie noch alle? Deine Eltern haben

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