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Treffpunkt Unendlichkeit

Treffpunkt Unendlichkeit

Titel: Treffpunkt Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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Ich sage nicht, daß Nevada es getan hat, ich sage aber auch nicht, daß er es nicht getan hat. Siehst du, Lofty, ich versuche durchaus fair zu sein. Aber wenn er …«
    Er war so zornig, daß er nach Luft schnappte und nicht weitersprechen konnte.
    »Diese Unruhen heute nacht«, fuhr er schließlich fort. »Spätestens um neun wäre für uns alles erledigt gewesen. Aber nein! Offenbar ist es Luis Nevada gelungen, in Lykens Konzessionsgebiet zu fliehen, wo ihm Athlone nichts anhaben kann. Was macht Athlone daher? Er nützt seine Stellung aus und befiehlt uns, Lykens Werber zu behindern und die Kultisten wieder freizulassen. Kein Wunder, daß Lykens Leute ekelhaft wurden, als sie sahen, was wir taten. Oder hättest du in so einem Fall etwa nicht geschossen? Unsere Totenliste ist länger als mein Arm, und das Viertel sieht grauenhaft aus.«
    Ingles sagte nichts. Carr fuhr fort:
    »Mir ist die Puppe egal, die er sich hält. Mir ist es auch egal, wenn er hinter Nevada herrennt. Aber er soll uns damit zufrieden lassen. Das ist einzig und allein seine Privatsache.«
    Sein Zorn legte sich so plötzlich, wie er gekommen war. Er seufzte und tastete den Verband im Gesicht ab. »Wäre kein Wunder, wenn das zu einer Untersuchung führen würde. Diesmal hat er es zu toll getrieben.«
     
    *
     
    Allyn Vage lag in ihrem Kokon. Sie konnte nichts sehen, und sie konnte sich nicht rühren. Sie hatte sich so an das Rho-Funktionsfeld gewöhnt, daß sie versuchte, das Signal zu ignorieren. Alles, was in der Außenwelt existierte – die Besuche von Athlone, das Kommen und Gehen von Knard und der Hausangestellten – spiegelte sich in den verschlungenen Fäden wider, die das graue Medium des Rho-Funktionsfeldes durchdrangen. Schwere Schritte durften nicht zu hören sein, wenn sich im Funktionsfeld kein Besucher angekündigt hatte. Das war unlogisch.
    Aber sie konnte das Klicken des Türschlosses nicht ignorieren. Sie konnte das leise Zischen beim Einschalten der Lichter nicht ignorieren, ebensowenig wie das Summen der sechzig Hertz. Ihr künstliches Gehör war außerordentlich scharf.
    Verwirrt gab sie eine Frage an den Sprechkomputer weiter.
    »Wer ist da? Was machen Sie hier?«
    Ängstlich befragte sie das Rho-Funktionsfeld: Knard lag in seinem Zimmer und schlief wahrscheinlich; die Hausangestellte war heimgegangen; Athlone mußte sich um die Straßenkämpfe kümmern. Ein Fremder hatte das Zimmer betreten. Ein Fremder sah sie in diesem obszönen, formlosen Kokon. Jemand, dessen Kommen ihr nicht angekündigt worden war.
    Angst stieg in ihr hoch.
    Die gleichen schweren Schritte, die sie in der Diele gehört hatte, kamen nun von der Tür näher. Fünf Schritte, halt. Der Fremde würde sie jetzt sehen und beobachten. Allyn kam sich mit einem Male entsetzlich hilflos vor. Die Isolation, die das Rho-Funktionsfeld seit Monaten vor ihr verbarg, drang nun zu ihr durch – wie eine Säure, die sich in ihr Inneres fraß. Wenn dieser Mann sich nicht im Funktionsfeld gezeigt hatte, war dann alles andere, was sie durch das Feld erlebt hatte, eine Phantasie, ein Traum?
    Jemand lachte – ein Mann. Es war ein unangenehmes, drohendes Lachen.
    »So sehen Sie also aus«, sagte eine schnaufende, ölige Stimme. »Ein einsamer, blinder Krüppel! Wir begannen schon, uns Gedanken zu machen.«
    »Wer sind Sie?« Allyn wünschte sich sehnlichst, daß der Sprechkomputer etwas von der Heftigkeit ihrer Frage übermitteln könnte; aber die rasselnde Stimme war nur zu schwacher Modulation fähig. »Was wollen Sie?«
    »Ich wollte Sie einmal genauer ansehen«, sagte die ölige Stimme und kicherte. »Was Ihre erste Frage angeht – nun, warum soll ich nicht darauf antworten? Ich bin einer der Leute, von denen das Rho-Funktionsfeld stammt. Haben Sie nicht schon selbst daran gedacht? Sie sind erregt, weil das Funktionsfeld mein Kommen nicht ankündigte. Nun, was wäre logischer als der Schluß, daß ich mehr von dem Feld verstehe als Sie?«
    Allyn wollte den Sprechkomputer betätigen, doch dann überlegte sie es sich anders. Die Maschine rauschte, als sich die Befehle in ihren Stromkreisen kreuzten.
    »Ich muß zugeben, daß Sie die Eigenschaften des Funktionsfeldes gut auszunützen gelernt haben. Wir sprachen natürlich nur von einem Wahrnehmungsfeld, um Sie irrezuführen. Es kann noch viel mehr.«
    »Ich weiß«, flüsterte Allyn.
    »Sie glauben, es zu wissen«, korrigierte die ölige Stimme. »Und da dachten Sie, daß Sie ein wenig in das Spiel eingreifen könnten.

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