Treibhaus der Träume
letzten Tagen auch ruhiger und fröhlicher geworden. »Wir haben eine große Krise überwunden, Onkel Patz. Unser ganzes Lebenswerk wäre bald dabei zugrunde gegangen. Aber nun ist Ilse wieder normal.«
»Glauben Sie?« fragte der alte Patz zweifelnd.
»Solange sie Thorlacht liebt, bestimmt.«
»Um Himmels willen!« Der alte Patz sprang auf. »Ich muß mit Thorlacht sprechen. Er muß Ilse heiraten. Noch mal halte ich mit meiner Gicht diese Strapazen bei den Schönheitsfarmerinnen nicht durch.«
An einem dieser Tage hatten auch Marianne und Ilse eine Aussprache miteinander. Sie hatten sich in einer freien Kabine im Kellerraum getroffen. Marianne hatte gerade eine Ozonbehandlung abgeschlossen. Ilse setzte sich auf die Spezialliege und kaute nervös an der Unterlippe.
»Wir sind dumme Gänse«, sagte sie.
»Wir?« entgegnete Marianne gedehnt.
»Gut, dann ich. Wann heiratet ihr?«
»Im nächsten Jahr.«
»Ich muß dir etwas gestehen, Marianne.«
»Ist schon gut. Es ist viel wert, daß du wieder vernünftig bist. Du hattest ganz schön durchgedreht.«
»Es hatte mich auch noch nie so gepackt wie diesmal.«
»Und jetzt? Dr. Thorlacht?«
»Das ist wieder anders. Er ist jung, er ist ein großer, lieber Bengel, und er hat eins mit mir gemeinsam: Er bewundert Lorentzen.«
»Und wann heiratet ihr?«
Ilse Patz sah ihre Freundin groß an. »Darüber haben wir nie gesprochen. Thorlacht als Ehemann …« Sie legte den Kopf schief und fuhr sich mit beiden Händen durch die wilden, schwarzen Haare. »Ich weiß nicht, ob das gutgeht.«
»Warum nicht?« Neue Angst kam in Marianne hoch. Hatte Ilse noch immer nicht die innere Befreiung von Lorentzen gefunden? »Er paßt wundervoll zu dir.«
»Das ist es.« Ilse legte sich auf das Spezialbett. Marianne klappte es nach hinten. Mit den Beinen nach oben starrte Ilse in die fragenden Augen Mariannes. »Wir sind zu gleich. Wir haben die gleichen Gedanken, die gleichen Wünsche, die gleichen Ideen. Wenn ich etwas sage – er tut es. Er ist immer meiner Meinung. Ob das gutgeht? Leben, das ist Spannung, das ist ein Reiben an Gegensätzen, das ist Kampf, ist ein immerwährendes Ringen. Leben – das ist eben Rhythmus! Was wäre das Meer ohne Wind und Wellen, ohne Sturmflut und Ebbe? Ein langweiliger Fleck Wasser, auf dem sich bald Schimmel sammelt.« Sie breitete die Arme aus. Sie ist wirklich ein herrliches, wildes Tier, dachte Marianne. Wie sie sich jetzt reckt, einem Panther gleich, der in der Sonne liegt. »So muß das Leben sein! Voll Flut und Sturm! Ich brauche Kampf … Thorlacht aber hißt immer die weiße Flagge und ergibt sich.«
»Mit anderen Worten: Du brauchst einen Mann, der dich mit der Peitsche bändigt?«
»Mit seinen Händen und mit seinem Geist!« Ilse Patz legte den Kopf weit zurück. »Marianne …«
»Ja?«
»Damals, der Brand im Keller der Klinik …«
»Das ist erledigt«, unterbrach sie Marianne schnell. »Davon spricht keiner mehr.«
»Man hat französische Streichhölzer gefunden.«
»Das ist völlig unwichtig. Fahren wir morgen wieder nach langer Zeit gemeinsam nach München und kaufen ein?«
Ilse Patz nickte. »Danke, Marianne!« sagte sie leise. »Du bist ein lieber Kerl. Vergessen wir alles. Werd' glücklich mit deinem Lutz.«
»Ich glaube schon.«
Untergefaßt verließen sie die Kabine und gingen hinauf ins Haus. Die Kosmetikerinnen und Mädchen in den Kitteln mit dem Monogramm auf der Brust atmeten auf, als sie die beiden Chefinnen so vereint und fröhlich sahen.
»Jetzt geht's wieder vernünftig bei uns zu«, sagte die Chefkosmetikerin befreit. »Es war ja so eine dicke Luft, daß man fast schon dagegenrennen konnte –«
In diesen Tagen wurde Rosa Ballek entlassen.
Das Riesenweib aus Hamburg hatte die Transplantationen gut angenommen. Zwar gab es viele Narben auf dem Rücken, aber die konnte man, wenn sie sich genug gefestigt hatten, abschleifen und korrigieren.
Dicki und vor allem der Nachtportier Xaver Grundmoser, dem das Fällen eines Waldes nicht so zusetzte wie eine Nachtwache, bei der er von Rosa Ballek geschnappt und ins Zimmer gezogen wurde, atmeten auf und tranken eine Flasche Enzian auf dieses Ereignis.
»Jetzt kriag i Ferien«, sagte der Xaver. »Jo mei, i hoab an ganz weiches Kreuz …«
Noch einmal wurde Rosa untersucht. Sie saß mit entblößtem Oberkörper vor Dr. Lorentzen, der die neuen Hautpartien abtastete, wo früher der stolze Viermastsegler durch das Meer rauschte. Die Zeit in der Klinik hatte ihr gutgetan.
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