Treibjagd - Unzensiert im Doppelpack (German Edition)
und über die Nadel gezogen wurden oder pusten mussten. Mir wird schlecht, wenn ich mir diese Doppelmoral vor Augen führe. Dazu gehören auch das gegenseitige Lästern übereinander hinter dem Rücken des anderen, die Techtelmechtel innerhalb der Belegschaft und das egoistische Streben nach Beförderung und Posten. Und doch gab es viele Momente, die interessant, spannend und auch erfreulich waren, sowohl innerhalb der Belegschaft als auch im Einsatzgeschehen. Ich denke bei ersterem vor allem an die zahlreichen Grillabende während des Dienstes oder die gemeinsamen Ausflüge. Beruflich fallen mir sofort drei Einsätze ein, die noch heute mein Herz erfreuen und mich richtig gut fühlen lassen. Der erste war eine Geiselnahme in der Nähe von Lage. Dort hatte ein psychisch verwirrter Mann zwei ältere Damen in einem Haus eingeschlossen und hatte damit begonnen, die Inneneinrichtung der Wohnung zu zerstören und aus dem Fenster zu werfen. Bei dieser Gelegenheit hatte ein Kollege erkannt, dass der Geiselnehmer ein Messer in den Händen hielt. Der Täter selbst wurde als groß und hager beschrieben. Als die gesamte Keramik einer Toilette aus dem Fenster flog, entschloss sich der Einsatzleiter „Berny“ Lunge dazu, vier Beamte als Notzugriffsteam vor der oberen Eingangstür zu postieren. Ich zählte zu diesen Beamten, weil ich mich freiwillig gemeldet hatte, von Berny aber ohnehin ausgewählt worden wäre. Mir wurde die dicke Schutzweste angezogen, dazu ein paar Handschuhe, und wir postierten uns vor der Wohnungstür. Bei günstiger Gelegenheit sollten wir zuschlagen, ansonsten aber das Eintreffen des SEK aus Münster abwarten, das sich bereits auf der Anfahrt befand. Die Situation bekam einen apokalyptischen Anstrich, weil der Täter in immenser Lautstärke Musik von den B-52s hörte. Wir drehten ihm kurzerhand den Strom ab, da sich der Sicherungskasten im Treppenhaus befand. Und siehe da, die Tür ging plötzlich einen Spalt breit auf. Das war unser Signal zum Angriff. Ich, der Gepanzerte, trat die offene Tür mit aller Wucht auf und lief als erster in die Wohnung und dem Täter hinterher, der sich in der Küche angekommen umdrehte und mich anstarrte. Da stand dann dieses 1,60 Meter „große“ Männchen vor mir und ich dachte nur: „Was ist denn das?“ Gleichwie, einen Atemzug später trat ich ihm seitlich vor dieSchläfe und wiederholte es sofort noch einmal, während er schon wie ein nasser Sack an der Wand herunterglitt. Daraufhin wurde er noch mit Pfeffer eingesprüht und von den Kollegen gefesselt und rausgetragen. Das „Männchen“ wurde nach der Verhaftung in die Psychiatrie eingeliefert, bespuckte und beschimpfte dort die zuständige Ärztin und nahm sich zwei Tage später das Leben. Tragisch! Der zweite denkwürdige Einsatz war eine Verfolgungsfahrt über fast 30 Kilometer durch die Dunkelheit der Nacht. Begonnen hatte es folgendermaßen: Ein Fahrzeugführer hatte das Anhaltesignal eines Streifenwagens ignoriert, der daraufhin Verstärkung anforderte. Den Pkw des „Flüchtenden“ hatten wir auf dem Nordring in Detmold mit drei Streifenwagen eingekeilt. Alle vier Fahrzeuge standen, und ein Polizist stieg bereits aus seinem Dienstwagen aus. Plötzlich gab der zu kontrollierende „Flüchtling“ Vollgas und raste los. Dabei rasierte er die Fahrertür des Kollegen ab, der sich nur durch einen beherzten Sprung zurück ins Wageninnere retten konnte. Der Fahrer durchbrach mit diesem Manöver unsere Absperrung und fuhr uns wieder davon. Alle hinterher! Im Laufe der Verfolgungsfahrt wuchs die Zahl der Einsatzfahrzeuge auf bis zu neun Streifenwagen an, und alle rasten mit Blaulicht und Einsatzhorn durch die Nacht. Eine Szene wie aus einem Hollywood-Film. Während der Fahrt gab es mehrere Ramm-Aktionen, wobei ein Streifenwagen „drehbuchmäßig“ die Kontrolle verlor und sich um die eigene Achse drehte. Schließlich befanden sich mein Streifenpartner und ich direkt hinter dem Tatfahrzeug. Plötzlich verlor der Flüchtende in einem Kreisverkehr in Schloß Holte-Stukenbrock die Kontrolle über sein Auto und landete in den angrenzenden Büschen. Inzwischen waren auch Streifenwagen der angrenzenden Behörden wie beispielsweise Gütersloh eingetroffen und die Polizisten näherten sich dem Tatfahrzeug. Ich sprang vom Fahrersitz und erreichte als erster das Fahrzeug. Der Flüchtende sah mich und ließ sich nach rechts auf den Beifahrersitz fallen. Ich konnte nicht erkennen, ob er eine Waffe führte, schlug ihm einen
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