Treibjagd - Unzensiert im Doppelpack (German Edition)
Nach seinem Rauswurf hatte er noch einen Appellbrief an jeden Member geschrieben und diese dem neuen Sergeant at Arms Matthias mit der Bitte übergeben, jedem diesen Brief zukommen zu lassen. Er appellierte an die Brüderlichkeit, ihm das zuteil werden zu lassen, was er auch jedem Einzelnen hätte zuteil werden lassen: Ein einfaches und offenes Gespräch unter Freunden und Brüdern, in dem er sich erklären und die Lügen ausräumen könnte. Das Ergebnis seiner Aktion? Die Briefe wurden ungeöffnet zerrissen. Der hochrangige Angel und ich trafen uns an der einstmals vereinbarten Stelle. Er fragte mich sofort, ob ich die Namen hätte, was ich bejahte. Wir fuhren in seinem Auto ein paar Straßen weiter, wo er parkte und wir zu Fuß weitergingen. Die Szenerie hätte ebenso gut einem Gangsterfilm entsprungen sein können, in dem jemand möglichst unbemerkt zum Boss geführt wird. Der Weg führte durch eine verwinkelte, enge und nicht vollständig übersehbare Gasse, in der jede Verfolgung schwierig war. Nach einiger Zeit gelangten wir dann in einen belebteren Teil der Hannoveraner Altstadt. Die Passanten saßen in Scharen vor den Cafés und Lokalen, weil die Sonne schien und viele bereits Feierabend hatten. Ich trug ein schlichtes weißes Hemd, eine Jeans und eineZeitung unter dem Arm. Der Angel fiel durch sein ziviles (er trug keine Clubinsignien), aber individuelles Erscheinungsbild auf. Wir gaben ein interessantes Gespann ab und zogen daher viele Blicke auf uns. Der Angel erklärte mir, dass sie komplett von der hiesigen Polizei observiert und abgehört wurden. Insofern diene die Vorsichtsmaßnahme auch meinem Schutz. Schließlich endete unser kleiner Spaziergang vor einem stilvollen italienischen Restaurant in der Altstadt, in welches mein Begleiter plötzlich entschwand. Ich folgte ihm durch das sehr schöne Lokal bis in die hinterste Ecke. Dort saß er, der Pate des Steintorviertels, der gefürchtete, omnipotente Präsident der Hells Angels Hannover und inoffizielle Europa-Chef der Engel. Er trug eine Art Holzfällerhemd, darunter ein T-Shirt der Hells Angels und auf dem Kopf eine umgedrehte Schirmmütze des Clubs. Die Ärmel hatte er hochgekrempelt, und man konnte seine mächtigen, mit Tribals tätowierten Unterarme sehen. Er war von beeindruckender, kräftiger Statur, gleichzeitig verströmte er die Ausstrahlung eines mächtigen und respekteinflößenden Anführers. Ich war vor unserem Zusammentreffen zwar gespannt, aber weder nervös noch besorgt gewesen. Im Gegenteil, ich hatte mich lange darauf gefreut und ging selbstbewusst und reinen Herzens in dieses Gespräch. Von Falk G. hatte ich im Vorfeld nur Gutes gehört, und ich schätzte ihn als eine Persönlichkeit ein, die seine Position nur hatte erreichen können, weil sie eben auch gewisse Werte in sich trug. Ich schätzte ihn als einen Mann ein, dessen Wort galt, und das war für mich eine Voraussetzung für eine derartige Unterredung. Anderenfalls hätte es für jeden von uns unangenehme Komplikationen geben können. Für mich sah dies so aus, dass die Polizei hätte versuchen können, mir Geheimnisverrat anzuhängen. Ich hatte mich aber nicht in ihm getäuscht. Er begegnete mir mit Respekt, Unvoreingenommenheit und Diskretion. Das ist auch der Grund, warum ich nicht im Detail darauf eingehe, was wir besprochen haben und was er mir entgegnet oder möglicherweise anvertraut hat. Als ich mich zu ihm an den Tisch setzte, bemerkte ich sofort, dass er sich eine schwere Erkältung eingefangen hatte. Er gab mir die Hand und fragte mich, ob ich auch etwas trinken wolle. Ich bejahte, und er bestellte mir ein Mineralwasser. Dann begannen wir unser Gespräch. Ich breitete die Zeitungaus. Es war das Lokalblatt mit dem Artikel und dem Bild von Toni und mir, dann diverse Dokumente wie zum Beispiel meine Krankschreibung. Ich erzählte ihm die gesamte Geschichte von Anfang an und verbarg nichts. Ich betonte, dass ich kein Verräter sei und trotz allem niemals einen Kollegen verraten würde. Ich trachte nicht nach Vorteilen und würde mich lediglich für meinen Freund Toni einsetzen. Nun sprach ich meinen Verdacht an und bezog mich unter anderem auch auf die unerklärliche vorzeitige Haftentlassung Braunbärs. Des Weiteren widerlegte ich alle Lügen und Anschuldigungen gegen Toni. Wir unterhielten uns beinahe eine dreiviertel Stunde lang, und obwohl er äußerlich ruhig und abgeklärt erschien, hatte ich den Eindruck, dass er innerlich kochte. Einmal ballte er beide Hände
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