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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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Frauen hatten Besseres zu tun, als sich umzudrehen. Während er sich bis auf die strapazierte Unterwäsche auszog, fiel ihm ein, wie er das letzte Mal hier an Bord Rücken an Rücken gestanden hatte mit einer, die er kaum kannte, um sich umzuziehen. Tülin Schelzig, was die jetzt wohl machte. Und die Ehlers war auch schon tot.
    Die Animateure hatten einen guten Blick: Die Uniform passte ihm, die Perücke sowieso. Im Halbdunkel des Garderobenspiegels sah er aus, als gehörten die Sachen zu ihm. Kein Leben ist komplett, dachte er mit forcierter Selbstironie, bevor man nicht den traurigen Clown gegeben hat.
    Die Uniformjacke und -hose waren aus billigem, aber festem Synthetik, das ihm das Gefühl gab, wie gepanzert zu sein. Maik seinerseits ließ sich nichts anmerken, während er in Danowskis verbeulten Anzug stieg. Kurz hielt er das nutzlose Pistolenholster hoch.
    «Was ist das?», fragte er.
    «Ein leeres Versprechen», antwortete Danowski aphoristisch.
    Als sie beide fertig waren, führte Sonja ihn zu einem der Maskenspiegel an der Rückwand der kleinen Garderobe. Mit weichen Fingerspitzen trug sie ihm etwas Rouge auf die Wangen, sodass man es kaum sah, außer, dass er gesünder wirkte. «Bisschen blass sind Sie gewesen», erklärte sie, und er merkte, dass er die Augen geschlossen hatte, während sie ihn berührte.
    «Bleibst du so lange hier?», fragte Francis, und Maik nickte.
    «Okay», sagte Sonja. «Dann geht’s jetzt endlich los. Wir haben lange genug gebraucht.»
    «Keine gute Idee», sagte Danowski.
    «Was?»
    «Wenn Maik hierbleibt. Was, wenn doch jemand hier reinkommt? Oder wenn du aufs Klo musst?» Danowski merkte, dass es ihm schwerfiel, Leute unter dreißig zu siezen, die nicht entweder kriminell oder beschädigt waren. Und Maik wirkte beinahe rührend unbeschädigt. Oder vielleicht war es einfach unmöglich, Leute zu siezen, mit denen man gerade die Kleidung getauscht hatte.
    «Stimmt», fiel Sonja ein. «Es gibt eine Wache, Leute von der Crew, die nachts Stichproben machen, um zu verhindern, dass sich hier Passagiere einnisten, denen ihre Kabine zu eng oder zu schmutzig geworden ist.»
    «Scheiße», sagte Maik. «Irgendwie habe ich mir schon gedacht, dass wir was übersehen haben.»
    «Ist ja nicht lange», sagte Sonja. «Und wenn jemand kommt, siehst du einfach zu, dass du in Bewegung bleibst, oder du versteckst dich in irgendeinem Schrank oder einer leeren Kabine.»
    «Den Anzug hätte ich aber gern sauber zurück», sagte Danowski. «Ich habe zurzeit keinen anderen.»
     
    Außer ihnen war in Sichtweite niemand unterwegs. Die Animateure führten Danowski tiefer ins Halbdunkel der Crew-Welt, Sonja und Francis voran, Katja und er hinterher. Katja nahm im Gehen seinen Unterarm und drückte ihn kurz, ohne ihn anzusehen. Eigentlich bin ich derjenige, der hier Aufmunterung verteilen müsste, dachte Danowski. An einer unauffälligen zweiflügligen Wandtür mit versenkten Klinken und grauer Oberfläche machten sie halt.
    «Dahinter hört der Teppich auf», sagte Sonja.
    «Okay», sagte Danowski und versuchte, seinem Körper das zu geben, was er für eine zuversichtliche Animateurs-Aura hielt.
    «Checkpoint», fuhr sie fort. «Das sind nicht die Typen, die Sie schon kennengelernt haben, also kriegen wir das hin.»
    Hinter der Tür war das Licht so hell, dass Danowski für einen Moment schwarz vor Augen wurde. Woher haben die das ganze Licht, dachte er. Sie standen auf dem Absatz einer mit grauem Linoleum ausgelegten Treppe, schmucklos lackiertes Geländer. An einem Klapptisch saßen zwei Männer auf Bankettstühlen, die ihre Jacken über die Lehnen gehängt hatten und mit unkonzentrierter Routine Karten spielten, als müsste es ja irgendjemand tun. Mitte fünfzig, grau und kahl, leicht gerötete Gesichter, Schnauzbärte. Die Omis wiederholen sich als Farce, dachte Danowski voller Heimweh. Einer der beiden sah auf.
    «Moin», sagte er. «Die Damen und Herren von der leichten Muse.» Er klang wie ein Holländer, der lange in Norddeutschland gelebt hatte. Der andere hielt inne beim Kartengeben und sah auf den Tisch oder durch ihn hindurch, statt aufzublicken.
    «Moin», sagte Sonja, chamäleonartig in seinem Tonfall. «Die Show ist vorbei.»
    «Warum macht ihr den Scheiß?»
    «Was? Hier rumstehen, statt endlich in unsere Kabinen zu gehen?»
    «Nee. Auftreten, obwohl euch keiner drum gebeten hat.»
    «Das Theater war voll. Wenn man von den leeren Plätzen absieht, weil keiner mehr neben jemandem sitzen

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