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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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Wasseroberfläche der Elbe. Und Deck sechs war, weil dort die Gangway war, auch am besten bewacht.
    Die andere Möglichkeit war, sich hier an Bord zu verstecken. Bis die Quarantäne vorüber war? Schwierig. Bis ihm etwas Besseres einfiel? Schon eher.
    Und dann fiel ihm etwas ein. Weil er darüber nachdachte, wie seine verfluchte neue Arbeitseinstellung, diese unnötigerweise neu aufgeladene «Berufsehre» oder was auch immer, ihn in diese außerordentlich unangenehme Situation gebracht hatte. Und wie das alles angefangen hatte mit dem weisen Tischler, dem er geglaubt hatte, dass man einen Job, wenn man ihn hatte, dann eben auch machen musste.
    Wenn ich’s doch nur wie der Schlosser gemacht hätte, dachte er, der sich auch nicht mehr um das Schloss gekümmert hat. Und das war die Erinnerung: der Verschlag, in dem der Tischler sein Werkzeug und sein Material hatte, gar nicht weit von hier entfernt, und wenn der Schlosser seine Arbeitseinstellung nicht geändert hatte, dann war die Tür noch immer offen, weil das Schloss unrepariert war.
    Auf dem Pooldeck war weiterhin niemand zu sehen. Vom Hafen dröhnten die Container, wenn die Kräne sie auf die Lkw oder aufs Schiff setzten, und ob dahinten schon die Morgendämmerung begann oder der Hafen einfach vor sich hinleuchtete, konnte er nicht ermessen, weil der Nebel zu dicht geworden war. Als Danowski das erste Mal an Bord gegangen war, war der Sommer schon in der Stadt gewesen, wie eine Vorschau auf sich selbst. Jetzt sah er, während er an der weißen Metallwand Richtung Tischlerkabine schlich, wie der Nebel übers Wasser zog, als müsste die diffuse Kälte der Nacht noch bebildert werden. In Norddeutschland ist im Frühling Herbst, dachte er.
    Aus der Cafeteria hörte er Geräusche. Das Licht war ausgeschaltet, aber durch die Panoramafenster sah er vor dem Hintergrund der erleuchteten Hafenkräne die dunklen Umrisse von Gestalten, die zusammensaßen oder allein und tranken, was sie in versteckten Vorräten noch gefunden hatten; Hauptsache, nicht in der Kabine brüten.
    Einfach hingehen, dachte Danowski, und erklären, was Sache ist. Dass ich bedroht werde. Und dass wir uns befreien können, wenn wir alle zusammenhalten. Wer will uns aufhalten?
    Anderseits, wenn Behling ihm schon nicht glaubte, der doch wenigstens den Kontext einzuordnen vermochte, für den es also eigentlich nichts Besonderes sein konnte, wenn ein Kriminalbeamter einen Leichenfund meldete … was würden dann ein paar Zivilisten sagen, für die wahrscheinlich schon sein normaler Arbeitsalltag am Rande des Verrückten war? Zumal er immer noch die Perücke trug und auch nicht wagte, sie abzunehmen. Mit ihr war er weniger Adam Danowski, das kam ihm gerade recht. Und warm hielt sie ihn auch.
    Als er den Verschlag erreichte, vibrierte sein Diensthandy. Bestimmt wieder Behling.
    Er prüfte die schmale Tür des Tischlerverschlags. Sie öffnete sich, indem er sie mit der flachen Hand leicht anhob und gleichzeitig mit dem Fuß dagegendrückte. Drinnen roch es nach Werkzeugen, Öl und trockenem Toastbrot. Danowski benutzte das Display seines Telefons als Taschenlampe und sah, dass der Verschlag etwa drei Quadratmeter groß war: einen guten Meter breit und vielleicht zweieinhalb lang. Das Werkzeug hing sorgfältig und tröstlich an durch Umrisse gekennzeichneten genau dafür vorgesehenen Haken. Es gab ein paar Holzleisten und zwei Plastikkisten mit anderem Material. Er improvisierte eine Bank daraus, die er mit ein paar ölverschmierten Lappen polsterte. Auf einem schmalen Werktisch lag eine Packung Toastbrot, achtlos, als hätte jemand damit Möwen gefüttert. Die Einzigen, die sich hier wirklich über nichts beklagen konnten.
    Sein Telefon vibrierte wieder oder noch immer, er konnte sich nicht daran erinnern, ob es zwischendurch aufgehört hatte, denn inzwischen merkte er, wie müde und erschöpft er war. Er setzte sich vorsichtig auf seine neue Bank. Sie hielt und war gut. Dann wieder das Telefon. Er sah aufs Display und war so überrascht und erleichtert, dass ihm ein «Gott sei Dank» entfuhr, nachdem er das Gespräch angenommen hatte.
    «Ich sehe, dass Sie hier im Institut angerufen haben», sagte Tülin Schelzig. «Ich hoffe, es ist was Wichtiges. Eigentlich bin ich im Labor.»
    Danowski lehnte sich an die Wand und streckte die Hand nach dem Toastbrot aus. Es war hart, aber köstlich.
    «Nein», sagte er kauend. «Ich wollte mich nur mal wieder melden. Bisschen plaudern. Hören, wie’s so geht.»
    Es

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