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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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Unwillkürlich schlug er diskret die Beine übereinander, was sich nackt seltsam anfühlte.
    «Ich bin Wissenschaftlerin», sagte Schelzig nüchtern aus ihrem Radio, als würde ihm das seine Befangenheit nehmen.
    «Ich finde lediglich, dass die Textilien hier etwas ungleich verteilt sind», bemerkte er. «Und etwas merkwürdig, dass Sie als Mikrobiologin hier Frau Doktor spielen.»
    «Es war schwierig genug, die anderen zu überzeugen, dass ich selbst die Untersuchung mache», sagte Schelzig, während sie ihm unter der Zunge die Temperatur maß. Ihre Hände bewegten sich auffällig behutsam und geschickt in den festen roten Handschuhen. «Ich musste die Autoritätskarte spielen: Endlich ein weiterer Verdachtsfall, den übernimmt die Projektleiterin. Außerdem habe ich eine Schwesternausbildung. So habe ich mir das Studium finanziert.»
    «Die Autoritätskarte. Das fällt Ihnen bestimmt nicht leicht», sagte Danowski scheinheilig. Er traute sich nicht zu fragen, wann er nach Hause konnte.
    «Newcastle», sagte Schelzig, während sie die Lymphdrüsen an seinem Hals abtastete.
    «Das frage ich Sie», sagte er. «Sie haben ein T-Shirt getragen, auf dem das Wappen der Uni war. Und Carsten Lorsch hat dort auch irgendwas gemacht. Mehr habe ich nicht.»
    Ihre Hände an seinem Hals in den dünnen Spezialhandschuhen fühlten sich an wie Plastikzangen, die jederzeit zupacken konnten. Also immer noch besser als alles, was er in den letzten Stunden an Bord erlebt hatte. Sie hielt inne. Und tastete noch einmal seine Lymphknoten ab.
    «Ich habe da vor fünf Jahren meinen Postdoc gemacht. Am Institut für Mikrobiologie. Die machen gute Sachen, auch mit Filoviren. Schöne Uni.»
    «Toll. Werd ich dran denken, für mein Auslandssemester.»
    Sie beugte sich über seine Brust, bis die Scheibe ihres Schutzanzuges fast seine Haut berührte.
    «Jedenfalls gab es da immer Gerüchte. Über Kollegen, die es nicht ganz so genau nehmen mit den Vorschriften, richtig gute Leute eigentlich, aber Leute, deren Interesse an Viren vielleicht über das rein Wissenschaftliche hinausgeht.» Sie leuchtete ihm mit einem kleinen Strahler in die Augen. Nachdem sie das Licht wieder weggenommen hatte, starrte sie in seine Augen, auf seine Augäpfel, ohne dass man hätte sagen können, sie sahen einander an. Dann zwang sie mit sanftem Druck seine Schenkel auseinander, beugte sich vor und fing an, die Lymphdrüsen in seiner Leistengegend zu untersuchen.
    «Warum untersuchen Sie mich eigentlich?», fragte Danowski leicht gepresst. «Ich dachte, das ist alles nur ein Vorwand, damit wir ungestört reden können.»
    Sie hielt inne und hob ihr Sichtfenster in seine Richtung. «Wenn Sie schon mal hier sind», sagte sie. «Schließlich sind Sie Risikogruppe  1 , und wenn Sie Symptome haben, würde ich Sie schon gern isolieren. Vielleicht kann ich Ihnen sogar Ihre Situation erleichtern oder was für Sie tun, Mortalität fünfzig bis neunzig heißt ja, dass unter günstigen Umständen die Hälfte eben nicht stirbt.»
    «Newcastle», sagte Danowski.
    «Vor zwei Jahren ist ein Kollege quasi suspendiert worden, nicht entlassen, aber ich habe gehört, dass er nur noch absolutes Routinezeug machen durfte. Angeblich hat er mit eigenen Virenstämmen experimentiert. On the side, wenn Sie so wollen. Ein Nebenprojekt. Angeblich im Auftrag der CIA , bei Filoviren ist der nächste Gedanke ja immer Bioterrorismus, auch wenn diese Viren dafür nicht ideal sind. Die gleiche Argumentation wie bei diesen umstrittenen Experimenten mit SARS -Viren in Holland: auf das Schlimmste vorbereitet sein, die Viren verstehen und so weiter. Nur dass der Kollege damit in dem Fall ziemlich alleine dastand. Würden Sie sich kurz umdrehen? Ich muss Ihren Anus untersuchen. Unter Umständen eine Körperregion für Vorsymptomatik. Irgendwelche Verdauungsbeschwerden, auffälliger Stuhl?»
    Danowski schüttelte stumm den Kopf und merkte trotz allem, dass er Hunger hatte. Sobald sie fertig war, fühlte es sich irgendwie so an, als hätte sie ihm um ein Haar einen abschließenden Klaps auf den Hintern gegeben.
    «Sieht gut aus», sagte sie.
    «Danke», sagte er. «Höre ich oft.»
    «Jedenfalls hat der Kollege damals angeblich versucht, in die DNA von Filoviren einzugreifen. Und vergleichbare Manipulationen finde ich bei unserem Altona-Virus.»
    «Ich verstehe genau, was Sie meinen.»
    «Es gibt ein paar klassische Virenstämme, an denen weltweit geforscht wird: aus den sechziger Jahren in Angola, aus Uganda

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