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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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der Toilette zu fragen. Er glaubte auf die Sekunde genau daran, dass Kopfschmerztabletten zwanzig Minuten brauchten, um zu wirken, und ihm schien, er dürfe keine weitere Zeit verlieren.
    «Dürfte ich fragen, wo ich mir mal die Hände …», fing er an, aber Kathrin Lorsch unterbrach ihn: «Warum Sie? Warum die Kriminalpolizei?»
    «Normalerweise machen das unsere Kollegen von der Schutzpolizei», hob Finzi in einem Ton an, als würde er sich dazu am liebsten am Hintern kratzen. «Aber die haben heute zu viel zu tun damit, das Schiff abzusperren. Darum …»
    «Aber Sie müssen ja irgendwie beteiligt sein», sagte Kathrin Lorsch. «Von welcher Abteilung sind Sie denn?»
    «Die Situation ist unübersichtlich», sagte Danowski.
    «Tötungsdelikte», sagte Finzi.
    «Das verstehe ich nicht. Mein Mann ist getötet worden? Von wem?»
    «Na», sagte Finzi und lehnte sich noch weiter zurück, «so kann man das auch wieder nicht sagen.»
    Danowski räusperte sich. «Mein Kollege Finzel und ich ermitteln, wenn ein Arzt keine natürliche Todesursache bestätigen kann oder möchte. Wir sind dafür da, um Fremdeinwirkung auszuschließen. Es muss also nicht zwangsläufig ein Tötungsdelikt vorliegen. Die Abteilung, zu der unser Team gehört, heißt nur so. Insgesamt. Wir …» Danowski merkte, dass er ins Stocken geriet.
    «Und was ist das für eine Krankheit? Woran ist mein Mann gestorben?»
    «Wie gesagt, das wissen wir nicht», sagte Finzi knapp und legte die Hände zu laut auf die Oberschenkel: Zeit, zu gehen. Er wurde immer leicht beleidigt, wenn Danowski ihren Job so erklärte, als wären sie Sachbearbeiter.
    «Möchten Sie, dass jetzt jemand bei Ihnen ist? Gibt es jemanden, den wir für Sie anrufen dürfen?», fragte Danowski nach Schema F. Kathrin Lorsch schien Mühe zu haben, sich an seine Gegenwart zu erinnern.
    «Nein», sagte sie. «Ich bin einfach nur so wahnsinnig enttäuscht.»
    «Was meinen Sie damit?», fragte Finzi und klang ehrlich überrascht.
    Sie hob die Schultern. «Er hatte zwei Herzinfarkte in den letzten Jahren. Ich habe mich im Grunde zweimal von ihm verabschiedet. Jetzt ging es ihm wieder gut. Wir hatten einfach noch was vor.» Dann weinte sie leise, ohne die Hände vors Gesicht zu heben und ohne sich um die Tränen zu kümmern. Wo sie liefen, glänzte die graue Farbe auf ihrer Wange wie nasser Asphalt.
    Finzi nickte, als verstünde er, und rutschte auf dem Sofa hin und her, weil er in seiner Jeans nach einem Taschentuch suchte, ohne eins zu finden.
    «Dürfte ich mal kurz …?», fragte Danowski, stand halb auf und deutete mit dem Kinn Richtung Flur. Normalerweise reichte das, um den Weg zum Klo gewiesen zu bekommen.
    «Was?», fragte sie.
    «Mir die Hände waschen.»
    «Wieso die Hände waschen? Meinen Sie, hier ist irgendwas ansteckend?»
    «Ich … nein, ich würde einfach …»
    «Er sucht die Toilette», sagte Finzi.
    Sie verlor das Interesse an ihm und zeigte vage zur Zimmertür. Danowski stand auf und ging in den Flur. Während er die Tür hinter sich zuzog, hörte er, wie sie zu Finzi sagte: «Möchten Sie etwas trinken? Ich glaube, ich brauche einen Schnaps. Einen Whisky?» Und wie Finzi antwortete: «Nein, danke, ich bin Alkoholiker.» Danowski rollte mit den Augen. Warum sagte er nicht einfach «Nein»? Warum war er stolz darauf, eine Krankheit zu haben, die ihn die Ehe und fast den Beruf gekostet hatte?
    Danowski vermutete, dass die Schlafzimmer und andere interessante Räume im ersten Stockwerk waren. Kleinere Wohnungen waren aufschlussreicher, weil es nur ein Badezimmer gab. Unwahrscheinlich, dass es auf dem Gästeklo überhaupt Kopfschmerztabletten gab. Die Treppe nach oben war offen und aus dunklem Holz. Danowski achtete darauf, möglichst am Rand auf die Stufen zu treten, damit sie nicht knarrten, und er nahm die Treppe in wenigen Schritten. Wie früher zu Hause in der etwas heruntergekommenen Villa im Süden Berlins, wenn er es nicht erwarten konnte, wegzukommen von den Launen seiner Brüder, in die modrige Stille seines Dachzimmers.
    Getrennte Schlafzimmer, in jedem das Bett unberührt. Es fiel ihm auf den ersten Blick schwer zu entscheiden, welches der gleich großen Schlafzimmer wem gehörte: In beiden standen Blumen, die gestern frisch gewesen waren, die Möbel waren hell und nüchtern, die Teppiche braun und grau, und es lagen keine Kleidungsstücke herum. Aber das eine roch unverkennbar nach Mann und das andere nach Frau, ein Unterschied, den Danowski nicht hätte in Worte

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