Trennung ohne Rosenkrieg - ein psychologischer Wegweiser
mehr können oder krank werden? Ausharren, bis der andere nicht mehr kann und die Trennungsentscheidung übernimmt?
→ Ein Parallelleben führen?
→ Aufschieben, bis die Kinder erwachsen sind?
→ …
TEIL III
Mitten im Trennungsgeschehen
»Wer einen Fluss überquert,
muss die eine Seite verlassen«
Mahatma Gandhi
3.1 Verlassen und verlassen werden
Trennung ist gut und schrecklich zugleich, Lebenskrise und Entwicklungschance. Trennung hat immer etwas mit offenen Fragen, Kränkung, Enttäuschung, Scheitern, Schuld, Verzweiflung, Abschied, Trauer, Wut, Scham, existenziellen Ängsten, Selbstwertkrise, Ohnmacht, Leid, Endgültigkeit, Verstörung, Überforderung, Sprachlosigkeit, Niederlage, Einsamkeit zu tun – aber auch – mit Befreiung, Veränderungsbereitschaft, Mut, Selbstfürsorge, Liebessehnsucht, Hoffnung, Risikobereitschaft, Herausforderung, Selbstachtung, Entwicklungsmöglichkeit, Lebenswillen, Erlösung, Neuanfang, mit der Chance, ungeahnte Kräfte zu mobilisieren, wahre und neue Freunde zu haben und letztendlich mit der Erfahrung, dass die Zeit so manche Wunde heilt, dass die Trennung eine Chance war.
Um dahin zu gelangen, ist ein Weg zu durchschreiten, ist noch viel durchzustehen .
»Das Abbrechen einer Beziehung, ohne dass der Partner stirbt, kann ähnliche Verzweiflung auslösen, kann ähnlich unser Selbsterleben erschüttern wie der reale Tod«, meint Verena Kast (1982). Deswegen spricht man bei Trennung und Scheidung auch von einem kritischen Lebensereignis . Der Paartherapeut Willi sagt: »Eine Scheidung ist nicht Auslöschung einer Beziehung. Sie ähnelt viel eher dem Tod einer Beziehung. Äußerlich ist offiziell die Beziehung nicht mehr existent, innerlich aber lebt sie häufig noch intensiv weiter.« (Willi 1982) Gerade am Anfang rührt jede Begegnung widersprüchliche Gefühle auf. Besonders für denjenigen, der von der Trennungsentscheidung des anderen überrascht (» genötigt «) wurde und die Trennung nicht gewollt hat, beginnt eine krisenhafte Zeit zwischen Aufruhr und Verzweiflung, zwischen hoffen und aufgeben.
Beide, derjenige, der verlässt, und derjenige, der verlassen wird, fragen sich: »Wo stehe ich eigentlich in meinem Leben und wie bin ich dahin gekommen? Wer werde ich sein, wenn ich keine Ehefrau/kein Ehemann mehr bin? Wie konnte das passieren?« Fragen nach dem »Warum?« und »Wie geht es weiter?« sind begleitet von wechselnden Emotionen. In der Trennungsphase ist das emotionale Geschehen am heftigsten. Das Verlusterlebnis muss durch Trauer bewältigt werden. Das gilt für die Erwachsenen und für ihre Kinder wie auch im gewissen Maße für die Eltern und nahen Freunde des getrennten Paares. Trennung bedeutet nicht nur den Verlust des Partners, sondern auch die Aufgabe positiver Gemeinsamkeiten und Ideale für das Leben zu zweit oder als Familie. Es gibt natürlich Trennungsbetroffene (auch Kinder), die sich zum Trennungszeitpunkt zutiefst erleichtert fühlen, besonders dann, wenn es dauerhaft Gewalt, Sucht, eskalierenden Streit oder permanente Abwertungen gab.
Die psychische Situation der getrennten Partner ist individuell und paarspezifisch sehr unterschiedlich. Die zu erbringende psychische Leistung für beide besteht in der emotionalen Loslösung, in der Verarbeitung des Scheiterns und in der Gestaltung der neuen Lebensphase. Beide müssen mit finanziellen und lebenspraktischen Veränderungen und Einschränkungen leben lernen sowie mit Verlusten von lieb gewonnenen Gewohnheiten und Kontakten. Beide brauchen Visionen für eine neue, lebenswerte Zukunft.
Was bedeutet Trennung für Sie persönlich? Sicherlich hat Trennung für jeden eine andere Bedeutung und einen anderen Verlauf. So macht es einen Unterschied, ob Sie die Beziehung aktiv beendet haben oder verlassen worden sind. Trotz der Unterschiede gibt es auch in der Trennungsphase für Sie beide gemeinsame psychische Bewältigungsaufgaben, egal, ob Sie verlassen haben oder verlassen worden sind. Sie werden jedoch zeitlich versetzt mit diesen Anforderungen in Berührung kommen.
WELCHE PSYCHISCHEN BEWÄLTIGUNGSANFORDERUNGEN STEHEN FÜR SIE BEIDE AN?
Abschied voneinander und der gemeinsamen Zukunft
Abschied vom gemeinsamen Familienleben mit den Kindern
Abschied von gemeinsamen Freunden, gemeinsamen Verwandtschaftskontakten, Lieblingsorten, Urlaub …
Verunsicherung durch vielfältige neue praktische Herausforderungen, die bisher der Partner übernommen hat
Umgang mit Alleinsein und Einsamkeit
Umgang mit
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