Trennung ohne Rosenkrieg - ein psychologischer Wegweiser
Oft ist der Aufbruch mit einem Zuwachs an Selbstvertrauen verbunden (Petri 2005). Das innere
Erleben ist anfangs von Gefühlen der Befreiung und Entlastung gekennzeichnet. Der ersehnte endgültige Schritt aus einer unbefriedigenden oder
leidvollen Beziehung ist geschafft, die Tür zu einem »besseren Leben« (mit oder ohne neuen Partner) steht offen. Es ist wie »ein neues
Kapitel aufschlagen«. Das Gefühl des Neubeginns und der Freiheit mit einer eigenen Wohnung und unabhängigen Entscheidungen erinnert an die Zeit
der Loslösung und Unabhängigkeit von den Eltern. Je nachdem, wie die Ablösung damals von der Herkunftsfamilie gelungen ist, wird in dieser Phase
oftmals etwas nachgeholt. Nicht wenige frisch Getrennte fühlen und verhalten sich wie Adoleszenten. Manchmal haben sie auch die Idee, wie
selbstverständlich oder aus der Not heraus, ins Elternhaus zurückzukehren, um die eigene Versorgung, manchmal auch die der Kinder, zu
sichern. Unabhängig davon, wie lange und ausgeprägt das befreiende Gefühl anhält, entwickeln sich in trennungsaktiven Partnern auch andere Gedanken
und Gefühle, mit denen sie sich befassen müssen oder die sie so weit wie möglich verdrängen. Selbst diejenigen, die entlastet sind, endlich zur
eigenen Trennungsentscheidung gefunden zu haben, sind irritiert, wenn Trauer um die verloren gegangene Beziehung auftaucht und sie sich einsamer
fühlen, als sie erwartet haben. Erst jetzt wird die Dimension des wirklichen Abschieds spürbar. So kann es sein, dass sich trotz eines ausreichenden
Entscheidungsprozesses nochmals Zweifel an der Trennungsentscheidung bemerkbar machen. Gerade in langjährigen Beziehungen (wenn es nicht schon wieder
eine neue Liebe gibt) kann die Trennungsmitteilung nochmals den Kreislauf von Versöhnung und Auseinandersetzung auslösen, besonders dann, wenn die
Kinder deutlich unter der Trennung leiden und alle ›Hebel‹ in Bewegung setzen (Symptombildungen), um den verlassenden Elternteil
zurückzuholen. Während trauernde und durch die Trennung belastete Kinder im trennungsaktiven Partner Schuldgefühle und nochmals Trennungsambivalenzen
auslösen können, bestätigen emotionale Zusammenbrüche oder Suizidandrohungen des verlassenen Partners eher die Trennungsentscheidung des Verlassenden,
zumindest langfristig.
Auch außenstehende Personen wie Eltern, Freunde, Arbeitskollegen, Lehrer oder Erzieherinnen der Kinder können die Trennungsentscheidung eines Partners moralisch erheblich ins Wanken bringen oder auch unterstützen. Oft zeigen sich im sozialen Nahraum Polarisierungen. Die einen stehen auf der Seite: »Nur die Trennung ist richtig …« , die anderen verurteilen die Trennung: »Wie kann sie/er nur …« Bleibt es nach all den Konfrontationen mit dem eigenen Gewissen und den auftauchenden Gefühlen sowie dem Erleben des Partners, der Kinder und der Eltern bei der eigenen Trennungsentscheidung, ist eine weitere Hürde im Prozess des Trennungsgeschehens geschafft.
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▶▶ Beispiel: Trotz allem – er bleibt der Vater meines Kindes
Frau L. und Herr T. leben seit zehn Jahren zusammen. Sie führen ihre Beziehung im gegenseitigen
Respekt. Jeder kann sich die Freiheit nehmen, die er braucht. Beide wollen auf Kinder verzichten, da sie sich nicht vorstellen können, die
Verantwortung für ein Kind zu übernehmen. Herr T. entwickelt sich beruflich rasch weiter und wird ein gefragter Computerexperte. Frau L. beginnt ein
Zweitstudium. Die Wege und Interessen gehen zeitweise auseinander, besonders, nachdem Herr T. immer mehr private Zeit auf Computerfortbildungen
verbringt und Frau L. sich intensiv ihrem Psychologiestudium widmet. Gegen Ende des Studiums und der biologischen Uhr entsteht in ihr ein intensiver
Wunsch nach einem Kind – unbewusst wohl auch, um die entstandene Lücke zwischen beiden zu schließen. In der Schwangerschaft wird ihr schmerzhaft
deutlich, wie wenig Interesse ihr Partner für ihre Person und wie viel für den Computer hat. Sie wird wütend und eifersüchtig auf den Computer, der
ihren Partner so fasziniert. Was ist es nur? Sie »entlockt« ihm sein Passwort und beginnt »zu schnüffeln«. Sie entdeckt eine Reihe heimlicher Affären
und ist fassungslos. Sie dachte, dass die Schwangerschaft automatisch Treue bedeutet, und ist tief verletzt. Sie konfrontiert ihn, er wiegelt ab und
pocht auf seinen »persönlichen Freiraum«. Sie trennt sich noch während der Schwangerschaft. Eltern und Freunde sind entsetzt. Eine
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