Trennung ohne Rosenkrieg - ein psychologischer Wegweiser
nach Jellouschek (2000)
Viele Geschiedene haben dennoch Angst, sich wieder auf eine neue Beziehung einzulassen. Sie glauben, dass sie wegen des Scheiterns ihrer Ehe weniger liebenswert und bindungsfähig sein könnten. Außerdem sitzt der Zweifel tief, jemals wieder vertrauen zu können. Sie brauchen entweder noch Zeit oder bleiben dauerhaft freiwillig oder unfreiwillig Single. Im günstigen Fall haben sie gelernt, allein zu leben und sich auch so wohlzufühlen.
▶▶ Beispiel: Sich einlassen, aber anders
Herr S. ist vor fünf Jahren von seiner »Traumfrau« verlassen worden. Seine Söhne leben bei ihm, bis sie zum Studium in eine andere Stadt ziehen. »Wieder fühle ich mich verlassen und verloren in dieser Welt und kann mich auf meinen bevorstehenden Ruhestand nicht freuen. Im Gegenteil, ich habe Angst davor, in ein Loch zu fallen.« Am Rande einer depressiven Entwicklung stemmt er sich mit aller Kraft dagegen und beginnt, allein ins Theater zu gehen und sich einer Wandergruppe anzuschließen. Hier lernt er eine verwitwete Frau kennen, die ihm vom ersten Moment an wegen ihrer Lebendigkeit und Zuversicht gefällt. Er ist hin und her gerissen, sich einzulassen oder nicht. Er befürchtet, wieder verlassen zu werden und einenschmerzvollen Abschied hinnehmen zu müssen. Von Abschieden habe er wahrlich genug, nachdem vor einem Jahr auch sein bester Freund verstorben sei. Gleichzeitig habe er Sehnsucht nach einer liebevollen Beziehung. Nach dem plötzlichen Tod seines Freundes habe er sich vorgenommen, im Jetzt zu leben und so intensiv, wie es geht. Er zitiert einen anderen als den bekannten Schulsatz des Pythagoras: »Das Gestern ist fort, das Morgen nicht da. Leb also heute.«
Er lässt sich zögerlich, aber ehrlich auf die neue Beziehung ein. Beide wohnen weiterhin getrennt und fühlen sich dennoch als Paar. Er bleibt bis auf Weiteres in der Spannung, sich nicht ganz einlassen zu können, um nicht erneut den Preis einer Bindung, nämlich den Schmerz des Verlustes bei einer Trennung, zahlen zu müssen. Beide fühlen sich glücklich und entspannt in dieser Beziehung, die Nähe, aber auch Unabhängigkeit ermöglicht.
Manche Menschen empfinden ihr Leben ohne Partner als unvollständig und möchten schnell den vertrauten Zustand als Paar wiederherstellen. Sie scheinen vergessen zu haben, dass sich auch die vorherige Beziehung erst entwickeln musste, um zu wachsen. Warum die Eile? Zum einen können viele Menschen tatsächlich trotz Bemühen nicht wirklich gut allein leben, zum anderen tickt gerade für Frauen die Uhr schneller, wenn sie einen neuen Partner finden wollen. Sie wollen einerseits alles dem Zufall überlassen und ahnen zugleich, dass sie wahrscheinlich umsonst warten, wenn sie sich nicht aktiv bemühen. Eine neue Bindung braucht Zeit und ist erst dann Erfolg versprechend, wenn man wirklich gelöst ist und die eigenen Anteile am Scheitern der vergangenen Beziehung erkannt hat. Ansonsten besteht das Risiko, wenn auch in der Phase der Verliebtheit unsichtbar, alte Beziehungsmuster mit einer neuen Partnerin zu wiederholen. Das beginnt schon damit, dass, sobald ein potenzieller Partner auftaucht, das Vergleichen mit dem Ex beginnt. Ist sie oder er ähnlich oder ganz anders? Ist sie schöner, interessanter, oder konnte die Ex nicht doch interessanter erzählen, kochen oder mehr verdienen? Werden die Urlaube so schön, wie sie früher waren? Wird er im Bett genau so wenig auf mich eingehen, wenn wir uns länger kennen?
Realistischerweise hinkt jedoch ein Vergleich im Stadium der Verliebtheit mit der Ex einer Langzeitbeziehung, von der man sich gerade
getrennt hat. Vergleiche sind ganz normal und verschwinden mehr und mehr, je länger und befriedigender die neue Beziehung sich entwickelt. Der neue
Partner mag in vielen Fällen dem früheren ähneln oder auch ganz anders sein. Entscheidend wird sein, wie Sie seine Persönlichkeit akzeptieren.
Merke! Er ist und bleibt ein völlig anderer als der vorherige.
ÜBUNG: HEILSAME UND UNHEILSAME VERGLEICHE
Da Sie anfangs immer wieder Ihre neue Partnerin mit Ihrer früheren vergleichen werden, machen Sie »Nägel mit Köpfen« und erstellen Sie eine Liste von den für Sie angenehmen und unangenehmen Eigenschaften und Verhaltensweisen Ihrer Ex. Anschließend fertigen Sie eine Zusammenstellung von Ihrer neuen Partnerin, was Sie jetzt schon sehen können an für Sie angenehmen und weniger angenehmen Eigenschaften. Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten haben Sie
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