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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Lavastein abzuschrubben und so weit wie möglich fortzufahren.
    Das Motorrad bog wie von selbst ab. Er fuhr über die klappernde Brücke und an wippenden Weidenkätzchen vorbei zu der Hütte zwischen den Birken, wo er sie im Morgenrock auf dem Bett sitzend vorfand, eine Zigarette in der Hand, ein Glas und einen Aschenbecher zwischen den Beinen. Sie sah aus, als habe sie ein Loch in die Tür gestarrt, seit er weg war.
    »Trinken wir?«, fragte Arkadi.
    »Wir trinken.«
    Der scharfe Geruch verriet, dass es kein Wasser war.
    »Findest du, dass wir zu viel trinken?«
    »Kommt drauf an. Früher habe ich abends Krankenakten durchgesehen, aber seit du da bist, versuche ich zu verstehen, was du für ein Mensch bist. Wenn ich die Antwort kenne, will ich vielleicht gar nicht mehr nüchtern werden.«
    »Frag mich doch.« Er griff nach der Flasche, doch sie ließ sie nicht los.
    »Nein, nein, du stellst hier die Fragen. Alex sagt, die meisten Menschen hören mit zehn auf, Fragen zu stellen, aber du hast nie damit aufgehört.«
    »War Alex hier?«
    »Siehst du? Das Problem ist, dass ich es nicht ausstehen kann, wenn jemand zu viel fragt und im Leben anderer Leute herumschnüffelt. Ich sehe für uns beide keine Zukunft.«
    Er zog sich einen Stuhl ans Bett und setzte sich. Bei ihr zu sein war wie einem Vogel zuzusehen, der gegen eine Glasscheibe flog. Alles, was er tat, konnte sich verhängnisvoll auswirken. »Nun, ich hätte da noch eine Frage.«
    »Keine Fragen.«
    »Was hältst du von Noah?«, fragte Arkadi. »Dem aus der Bibel?«
    »Dem mit der Arche.«
    »Du bist ein merkwürdiger Mensch.« Er spürte, dass sie die Frage prüfte und dahinterzukommen versuchte, worauf er hinauswollte. »Ich halte von Noah nicht viel«, sagte Eva. »Und von Gott noch weniger. Warum um alles in der Welt willst du das wissen?«
    »Ich habe mich gefragt: Warum ausgerechnet Noah? War er Zimmermann oder Seemann?«
    »Zimmermann. Er brauchte sich nur treiben zu lassen und die blöden Viecher zu füttern. Er musste nirgendwohin.«
    »Woraus schließt du das?«
    »Sonst hätte ihm Gott den Weg beschrieben.«
    »Auch wieder wahr.« Wenn Timofejew von Moskau in die Ukraine gereist war, in ein kleines Dorf, das er nie gesehen hatte, hätte er eine Wegbeschreibung gebraucht. »Glaubst du, die Arche hätte hier stranden können?«
    »Wieso nicht?«, antwortete Eva. »Ist doch eine hübsche Gegend. Voll von ermordeten Polen, Juden, Kommunisten und Weißen, ganz zu schweigen von denen, die Stalin verhungern ließ und die von den Deutschen aufgehängt wurden, aber trotzdem hübsch. Beste Milch, beste Äpfel, beste Birnen. Früher haben wir den Sommer am Fluss verbracht, in Booten oder am Strand. Wir haben geangelt. Der Pripjat war bekannt für seine Hechte. Ich habe mich immer am Strand auf ein Handtuch gelegt, die Wolken beobachtet und davon geträumt, als Tänzerin in fremde Länder zu reisen und dort einen berühmten Pianisten, ein leidenschaftliches Genie, kennen zu lernen, ihn zu heiraten und sechs oder sieben Kinder von ihm zu bekommen. Wir hätten in London gelebt, aber den Sommer hier verbracht. Und jetzt musst du raten: Was davon ist nicht in Erfüllung gegangen?«
    »Ist das eine Fangfrage?«
    »Ganz bestimmt nicht. Eine Fangfrage wäre: Wie lange wirst du bleiben? Wann bist du plötzlich verschwunden? Menschen tun das. Sie sind ein oder zwei Wochen da, und, hui, sind sie fort, im Gepäck fantastische Geschichten vom Leben mit den Exoten und Eingeborenen in der Zone.«
    »Lass uns tanzen.« Arkadi nahm das Glas.
    »Bist du ein guter Tänzer?«
    »Ein fürchterlicher, aber ich erinnere mich, wie du mit Alex getanzt hast.«
    »Du hast ja mit Vanko getanzt.«
    »Das ist nicht das Gleiche.«
    »Etwas Langsames?«
    »Bitte.«
    Sie schlüpfte aus dem Bett hinüber zum Kassettenrekorder.
    »Ein Walzer um Mitternacht. Das ist romantisch. Du überraschst mich. Du kannst mähen wie ein Bauer, und du kannst tanzen.«
    »Ich wundere mich über mich selbst.«
    »Ein Mitternachtswalzer in Tschernobyl, damit zeigen wir dem Tod die kalte Schulter.«
    »Genau.«
    Er nahm sie in die Arme und versuchte probehalber einen Schritt. Dafür, dass sie so viel Ärger machte, war sie unglaublich leicht.
    Sein Handy klingelte.
    »Lass es klingeln«, sagte sie.
    »Ich möchte nur sehen, wer es ist.«
    Der Anrufer war nicht Viktor oder Schenja, wie er vermutet hatte, sondern Staatsanwalt Surin. Er rief aus Moskau an.
    »Gute Neuigkeiten, Renko. Verzeihen Sie, dass ich Sie mitten

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