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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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nehme es zurück. Sie erinnern mich doch ein wenig an Pascha.«
    »Danke«, sagte er, fragte aber nicht, ob sie den brillanten, kontaktfreudigen Pascha meinte oder den Pascha, der mit dem Gesicht nach unten auf dem Asphalt gelegen hatte.
    Am späten Abend aßen Arkadi und Viktor in einem Cafe neben einer Autowaschanlage an der Schnellstraße. Arkadi mochte das Lokal, weil es wie eine Raumstation aus Chrom und Glas aussah und Scheinwerfer vorbeihuschten wie Kometen. Es gab Fastfood und deutsches Bier, und Viktor unternahm einen Versuch, der die Mühe lohnte: Er ließ sein Auto waschen. Viktor fuhr einen vierzig Jahre alten Lada mit losen Kabeln am Boden und einem Radio, das mit Draht am Armaturenbrett befestigt war, aber er konnte ihn mit Ersatzteilen von jedem Schrottplatz selbst reparieren, und kein Dieb mit Selbstachtung würde ihn stehlen. Viktor hatte etwas Selbstgefälliges und Schofliges an sich, wenn er ihn fuhr, so als hätte er die ultimative Liebesstellung entdeckt. Zwischen den aufgereihten Mercedes, Porsche und BMW, die abgespritzt und poliert wurden, war sein Lada ein Exot.
    Viktor trank armenischen Weinbrand, um seinen Blutzuckerspiegel zu halten. Er mochte das Cafe, weil es von den verschiedenen Mafiabanden bevorzugt wurde. Viktor war mit ihnen bekannt, wenn nicht sogar befreundet, und er beobachtete gern ihr Kommen und Gehen. »Ich habe drei Generationen derselben Familie verhaftet. Großvater, Vater, Sohn. Ich fühle mich wie Onkel Viktor.«
    Vor dem Fenster fuhren zwei völlig identische schwarze Pathfinder vor und spuckten zwei gleichartige Gruppen muskulöser Insassen in Jogginganzügen aus. Sie starrten einander so lange an wie nötig, um die Würde zu wahren, und schlenderten dann ins Lokal.
    »Hier ist neutraler Boden«, erklärte Viktor, »denn keiner will, dass sein Lack zerkratzt wird. So einfach sind die gestrickt. Dein Charakter ist viel verbogener. Wozu sich mit einem glasklaren Fall von Selbstmord Arbeit machen? Also, ich weiß nicht. Eigentlich sollten Chefinspektoren der Staatsanwaltschaft einfach auf ihrem Arsch sitzen bleiben und die Arbeit ihren Kripoleuten überlassen. So halten sie sich länger.«
    »Ich habe mich zu lange gehalten.«
    »Offensichtlich. Aber Kopf hoch, hier ein kleines Geschenk für dich. Ich habe es unter Iwanows Bett gefunden.« Viktor legte ein Handy auf den Tisch, japanisches Modell.
    »Was hast du denn unterm Bett verloren?«
    »Du musst wie ein Detektiv denken. Die Leute legen ständig Sachen auf die Bettkante. Sie fallen runter, und die Leute schieben sie mit dem Fuß unters Bett und merken es nicht, besonders wenn sie es eilig haben oder im Stress sind.«
    »Wieso haben Oschogins Leute es nicht gefunden?«
    »Weil alles, was sie wollten, im Arbeitszimmer war.«
    Arkadi beschlich der Verdacht, dass es Viktor einfach Spaß machte, unter Betten nachzusehen. »Danke. Hast du es schon genauer unter die Lupe genommen?«
    »Nur flüchtig. Los, klapp es auf.« Viktor lehnte sich zurück, als hätte er Bonbons mitgebracht.
    Das Zirpen, mit dem das Handy zum Leben erwachte, erregte an den Nachbartischen keine Aufmerksamkeit. In einem Cafe des Weltraumzeitalters war ein Handy so normal wie Messer und Gabel. Arkadi sah die Callhistory bis Sonntagabend durch. Die letzten Einträge betrafen ausgehende Gespräche mit Rina und Bobby Hoffman und Anrufe von Hoffman, Rina und Timofejew.
    Ein kleines Telefon und so viele Informationen. Eine SMS bezüglich eines Iwanow-Tankers, der vor der spanischen Küste gesunken war, und ein Terminkalender, dessen jüngster Eintrag ein Treffen mit Staatsanwalt Surin betraf. Ausgerechnet. Das Verzeichnis enthielt nicht nur Telefonnummern von Rina, Hoffman, Timofejew und anderen NoviRus-Bossen, sondern auch von prominenten Journalisten, Theaterleuten und Millionären, deren Namen Arkadi von seinen Nachforschungen her kannte, und, am interessantesten, von Surin, dem Bürgermeister, Parlamentariern und Ministern sowie dem Kreml selbst. Ein solches Telefon war wie ein direkter Draht zur Macht.
    Viktor schrieb die Namen in ein Notizbuch. »In was für einer Welt leben diese Leute. Hier ist eine Nummer, unter der man erfährt, wie das Wetter in Saint-Tropez ist. Sehr nett.« Viktor brauchte zwei Cognacs, ehe er die Liste abgeschrieben hatte. Er schaute auf und nickte einem wilden Haufen am Nachbartisch zu. »Die Medwedew-Brüder«, flüsterte er. »Ich habe ihren Vater und ihre Mutter eingebuchtet. Aber ich muss zugeben, ich fühle mich in ihrer

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