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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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spionieren mir nach.«
    Dass ein Russe so naiv war, schien Oschogin traurig zu stimmen. »Schluss jetzt, Renko. Sagen Sie Ihrem fetten Amerikaner, dass Pascha Iwanow Selbstmord begangen hat. Und dann kommen Sie wieder und füllen das Formular aus.«
    Arkadi fand Rina in einen Bademantel gehüllt in Iwanows Heimkino, eine Flasche Wodka in der einen und eine Zigarette in der anderen Hand. Ihr Haar war nass und klebte am Kopf und ließ sie noch kindlicher erscheinen. Auf dem Bildschirm fuhr Pascha im Aufzug nach oben, Etage um Etage, den Aktenkoffer an die Brust gedrückt, ein Taschentuch vor dem Gesicht. Er wirkte erschöpft, als hätte er zu Fuß hundert Stockwerke erklommen. Als die Tür aufging, drehte er sich um und blickte in die Kamera. Der Rekorder hatte eine Zoomfunktion. Rina stoppte das Band und vergrößerte Paschas Gesicht, bis es den ganzen Bildschirm ausfüllte. Seine Haare waren strähnig, seine Wangen wie weiß gepudert, seine dunklen Augen sandten eine geheimnisvolle Botschaft aus.
    »Das galt mir. Das ist sein Abschiedsgruß.« Rina warf Arkadi einen Blick zu. »Sie glauben mir nicht, Sie halten das für romantischen Schwachsinn.«
    »Mindestens die Hälfte von dem, woran ich glaube, ist romantischer Schwachsinn, eine solche Kritik stünde mir also nicht zu. Sonst noch was?«
    »Er war krank. Aber ich weiß nicht, was ihm fehlte. Er wollte gar nicht zum Arzt.« Rina legte die Zigarette weg und zog den Bademantel enger. »Der Fahrstuhlführer hat mich reingelassen. Ihr Polizist ging gerade, als ich kam. Anscheinend ganz zufrieden mit sich.«
    »Eine grausige Vorstellung.«
    »Wie ich höre, hat Bobby Sie angeheuert.«
    »Er hat mir ein Angebot gemacht.«
    »Haben Sie sein Geld nicht genommen?«
    »Ich weiß nicht, wie viel ein Ermittler kostet.«
    »Sie sind nicht wie Pascha. Er hätte es gewusst.«
    »Ich habe versucht, Timofejew zu erreichen. Er ist nicht abkömmlich. Ich nehme an, er übernimmt jetzt in der Firma das Ruder.«
    »Der ist auch nicht wie Pascha. Wissen Sie, in Russland bedeutet Geselligkeit im Geschäftsleben sehr viel. Pascha hat seine besten Abschlüsse in Klubs und Bars gemacht. Er war dafür der ideale Mann. Die Menschen waren gern mit ihm zusammen. Er war lustig und großzügig. Timofejew ist ein ungehobelter Klotz. Ich vermisse Pascha.«
    Arkadi setzte sich neben sie und nahm ihr die Wodkaflasche ab. »Sie haben ihm die Wohnung eingerichtet?«
    »Ich habe sie für uns beide eingerichtet, aber ganz plötzlich wollte Pascha nicht mehr, dass ich hier wohne.«
    »Sie sind nie eingezogen?«
    »Neulich wollte mich Pascha nicht mal hereinlassen. Zuerst dachte ich, er hätte eine andere Frau. Aber er wollte überhaupt niemanden hier haben. Auch nicht Bobby, niemanden.« Sie wischte mit der Hand über die Augen. »Er wurde paranoid. Verzeihen Sie, ich bin so dumm.«
    »Ganz und gar nicht.«
    Der Bademantel ging wieder auf, und sie zog ihn fester um sich. »Ich mag Sie, Chefinspektor. Sie sind kein Spanner. Sie haben Manieren.«
    Arkadi besaß Manieren, aber er bemerkte auch, wie locker der Bademantel gebunden war.
    »Wissen Sie, ob er in letzter Zeit einen geschäftlichen Rückschlag erlitten hat? Hat ihn irgendeine Geldsache beschäftigt?«
    »Pascha hatte immer Geschäfte am Laufen. Und er fand es nicht schlimm, wenn er hin und wieder Geld verlor. So etwas nannte er Lehrgeld.«
    »Klagte er über gesundheitliche Probleme? Depressionen?«
    »Wir hatten seit einem Monat keinen Sex mehr, wenn das mitzählt. Ich weiß nicht, warum. Er hat einfach damit aufgehört.« Sie drückte ihre Zigarette aus und ließ sich von Arkadi eine neue geben. »Sie fragen sich wahrscheinlich, wie ein Niemand wie ich einen so reichen und berühmten Mann wie Pascha kennen gelernt hat. Was glauben Sie?«
    »Sie sind Innenarchitektin. Ich nehme an, Sie haben außer der Wohnung noch etwas anderes für ihn eingerichtet.«
    »Seien Sie nicht albern. Ich war Prostituierte. DesignStudentin und Prostituierte, eine Frau mit vielen Talenten. Ich arbeitete in der Bar im Hotel Savoy. Das ist ein Nobelschuppen, und wenn man nur herumsitzt wie eine Hure, fällt man auf. Also tat ich so, als würde ich mit einem Handy telefonieren. Da kam Pascha zu mir rüber und bat mich um meine Nummer, damit ich ein richtiges Gespräch führen konnte. Dann hat er mich vom anderen Ende der Bar angerufen. Zuerst dachte ich, was für ein großer hässlicher Jude. Und das war er auch, müssen Sie wissen. Aber er verfügte über so viel Energie,

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