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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Gegenwart nicht unwohl. Das sind gewöhnliche Gangster, keine Geschäftsleute mit Investmentfonds.«
    Arkadi drückte auf »Nachrichten«.
    Um 21.33 Uhr war von einer Moskauer Nummer aus angerufen worden. Der Anrufer klang nicht nach einem Geschäftsmann. »Sie kennen mich nicht, aber ich möchte Ihnen einen Gefallen tun. Ich rufe wieder an. Jetzt nur so viel: Wenn Sie Ihren Schwanz in anderer Leute Suppe stecken, wird er abgeschnitten.«
    »Kein Mann der vielen Worte. Kennst du die Stimme?« Arkadi reichte Viktor das Telefon.
    Der Polizist lauschte, dann schüttelte er den Kopf. »Einer von der harten Sorte. Aus dem Süden, das erkennt man am weichen O. Aber ich höre ihn nicht gut genug. Die lauten Stimmen hier, das Gläsergeklirr.«
    »Wenn es jemand weiß …«
    Viktor drückte das Handy ans Ohr und lauschte noch einmal, dann lächelte er wie ein Mann, der aus tausend Weinen einen bestimmten herausgeschmeckt hat.
    »Anton. Anton Obodowski.«
    Arkadi kannte Anton. Er traute ihm zu, dass er jemanden aus dem Fenster warf.
    Viktor hielt es nicht mehr aus. »Ich muss mal pinkeln.«
    Arkadi saß allein da und hielt sich an seinem Bierglas fest. Wieder drängten Jogginganzüge ins Cafe, als seien die Straßen voll von ruppigen Sportlern. Arkadis Blick wanderte immer wieder zum Handy. Es wäre interessant zu erfahren, ob sich das Telefon, von dem Anton angerufen hatte, irgendwo im Umkreis von fünfzehn Minuten um Iwanows Wohnung befand. Es war eine Festnetznummer. Er wusste, dass er eigentlich auf Viktor warten sollte. Aber Viktor konnte eine halbe Stunde brauchen, wenn es galt, sich ums Zahlen zu drücken.
    Arkadi ergriff das Handy und drückte Reply to Message.
    Es klingelte zehnmal.
    »Wachraum.«
    Arkadi setzte sich auf. »Wachraum? Wo?«
    »Butyrka-Gefängnis. Mit wem spreche ich?«
    Als Viktor wiederkam, saß Arkadi bereits draußen im Lada, der den Attacken der Seife erfolgreich widerstanden hatte. Ein Wind blähte die Reklametransparente an der Straße und ließ das Segeltuch knallen. Jedes Auto, das vorbeibrauste, schien an dem Lada zu rütteln.
    Viktor rutschte hinters Steuer. »Ich bringe dich zu deinem Auto. Hast du die Rechnung bezahlt? So was nenne ich Freund!«
    »Mit dem Geld, das du sparst, wenn du mit mir essen gehst, könntest du dir eigentlich einen neuen Wagen kaufen.«
    »Jetzt hör aber auf, ich bin es wert. Ich habe das Handy gefunden und lasse dich an meinen profunden Kenntnissen teilhaben. Mein Kopf ist eine wahre LeninBibliothek.«
    Mit Mäusen und allem, dachte Arkadi. Als sie auf die Schnellstraße einbogen, erzählte er Viktor von seinem Rückruf. Der Kripomann war in höchstem Maß amüsiert.
    »Das Butyrka-Gefängnis! Wenn das kein Alibi ist!«
    Das vierstöckige Gebäude in der Butyrka-Straße mit seinen Aluminiumfenstern, kaputten Rollläden und verwelkten Gardenien war in jeder Hinsicht gewöhnlich bis auf die lange Schlange, die davor auf dem Bürgersteig stand: Zigeuner mit bunten Halstüchern, Tschetschenen in Schwarz und Russen in dünnen Lederjacken, die, als Gruppen miteinander verfeindet, hier aber vereint waren in der verzweifelten Hoffnung, mit der sie für die Tausenden, die hinter diesen Mauern schmachteten, an einer Stahltür pflichtbewusst Pakete abgaben.
    Arkadi zeigte an der Tür seinen Dienstausweis vor und trat durch ein Gittertor ins Innere des Gebäudes, einen Gang, in dem Wärter in Armeedrillich mit Hunden herumstanden, Deutschen Schäferhunden, die auf ihre Befehle lauerten. Den lässt du vorbei, den packst du. Der Gang führte auf einen weiß getünchten Hof, hinter dem, von der Straße aus nicht zu sehen, eine Märchenfestung mit roten Mauern und Türmen im Morgenlicht erstrahlte, der eigentlich nur ein Burggraben fehlte. Doch das Märchen war in Wahrheit ein Alptraum. Das Butyrka-Gefängnis, unter Katharina der Großen erbaut, wurde seit über zweihundert Jahren von jedem russischen Machthaber, egal, ob Zar, Parteisekretär oder Präsident, mit Staatsfeinden gefüttert. Ein Wärter mit verlängertem Scharfschützengewehr beobachtete Arkadi von einem Turm aus. Er hätte ein Füsilier sein können und die Satellitenschüsseln an den Zinnen auf Pfähle gespießte Köpfe. In der Stalin-Ära hatten schwarze Kleinlaster Nacht für Nacht neue Opfer in diesen Hof und diese blutroten Mauern gebracht, und Fragen nach ihrem Befinden, Verbleib und Schicksal hatten sich mit einem einzigen geflüsterten Wort beantworten lassen: Butyrka.
    Da Butyrka ein Untersuchungsgefängnis

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