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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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so viel Charme. Er kannte jeden und wusste eine Menge. Er fragte mich nach meinen Interessen, so das Übliche, aber er hörte wirklich zu, und er verstand sogar etwas von Design. Dann fragte er mich, wie viel ich meinem Zuhälter schuldete. Er sagte, er würde ihn auszahlen, mir eine Wohnung einrichten und das Studium finanzieren. Er meinte es ernst. Ich fragte ihn nach dem Grund, und er sagte, weil er mir ansehe, dass ich ein guter Mensch sei. Würden Sie das tun? Würden Sie auf so jemanden setzen?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Tja, so war Pascha.« Sie nahm einen tiefen Zug an ihrer Zigarette. »Wie alt sind Sie?«
    »Zwanzig.«
    »Und wann haben Sie Pascha kennen gelernt?«
    »Vor drei Jahren. Damals in der Savoy-Bar war ich siebzehn. Als wir miteinander telefonierten, fragte ich ihn, ob er Rothaarige bevorzuge, ich könnte mich in eine verwandeln. Und er antwortete, das Leben sei zu kurz, ich sollte so bleiben, wie ich bin.«
    Je länger Arkadi auf den Bildschirm blickte und sah, wie Pascha an der Schwelle zu seiner Wohnung zögerte, desto weniger kam er ihm wie ein Mann vor, der fürchtete, in ein Stimmungsloch zu fallen. Er schien vor etwas Konkreterem Angst zu haben.
    »Hatte Pascha Feinde?«
    »Natürlich. Vielleicht Hunderte, aber nichts Ernstes.«
    »Morddrohungen?«
    »Keine, über die man sich Sorgen machen musste.«
    »Aber es gab bereits Mordanschläge.«
    »Dafür ist Oberst Oschogin da. Einmal hat Pascha was gesagt. Dass er vor langer Zeit etwas sehr Schlechtes getan habe und dass ich ihn nicht mehr lieben würde, wenn ich es wüsste. Er war so betrunken, wie ich es sonst nie erlebt habe. Er wollte mir nicht sagen, was, und er hat nie wieder darüber gesprochen.«
    »Wer wusste davon?«
    »Ich glaube, Lew. Er bestritt es, aber ich spürte es. Es war ihr Geheimnis.«
    »Ging es darum, wie sie Anleger um ihr Geld gebracht haben?«
    »Nein.« Ihre Stimme wurde fester. »Um irgendetwas Schreckliches. Um den Ersten Mai herum war es immer am schlimmsten mit ihm. Aber wer schert sich denn heute noch um den Tag der Arbeit?« Sie wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. »Warum glauben Sie nicht, dass er sich das Leben genommen hat?«
    »Ich glaube weder das eine noch das andere, ich bin nur noch nicht auf ein zwingendes Motiv gestoßen. Iwanow war kein Mann, der sich so leicht einschüchtern ließ.«
    »Sehen Sie, sogar Sie haben ihn bewundert.«
    »Kennen Sie Leonid Maximow und Nikolai Kusmitsch?«
    »Aber ja. Sie gehören zu seinen besten Freunden. Wir hatten eine schöne Zeit zusammen.«
    »Die beiden sind sicher viel beschäftigte Männer, aber hätten Sie eine Idee, wie ich mit ihnen in Kontakt treten könnte? Ich könnte es auf dem Dienstweg versuchen, aber die beiden kennen, ehrlich gesagt, mehr Beamte als ich.«
    »Kein Problem. Kommen Sie doch zu der Party.«
    »Zu welcher Party?«
    »Pascha gibt jedes Jahr draußen in seiner Datscha eine Party. Sie findet morgen statt. Alle werden da sein.«
    »Pascha ist tot, und trotzdem feiern Sie eine Party?«
    »Pascha hat das Kinderhilfswerk Blauer Himmel ins Leben gerufen. Der Verein ist finanziell auf die Party angewiesen, und Pascha würde wollen, dass sie stattfindet, das weiß jeder.«
    Arkadi war bei seinen Nachforschungen auch auf das Hilfswerk Blauer Himmel gestoßen. Verglichen mit anderen Unternehmungen Iwanows waren dabei nur relativ bescheidene Summen im Spiel, so dass er vermutet hatte, es handle sich um einen Schwindel.
    »Wie kommt bei der Party Geld in die Kasse?«
    »Sie werden’s erleben. Ich setze Sie auf die Gästeliste, und morgen treffen Sie dort jeden, der in Moskau Rang und Namen hat. Aber Sie dürfen nicht auffallen.«
    »Ich sehe wohl nicht wie ein Millionär aus?«
    Sie verlagerte ihr Gewicht, um ihn besser betrachten zu können. »Nein, Sie sehen wie ein Schnüffler aus, unverkennbar. So kann ich Sie auf der Party nicht rumlaufen lassen, das wäre nicht gut für die Stimmung. Aber viele Leute bringen Kinder mit. Könnten Sie ein Kind mitbringen?«
    »Könnte ich.«
    Arkadi knipste die Lampe am Sessel an, damit sie ihm eine Wegbeschreibung zeichnen konnte. Sie gab sich damit große Mühe, und als sie fertig war, schaltete sie das Licht wieder aus.
    »Ich glaube, ich werde noch eine Weile allein hier bleiben. Wie war noch Ihr Name?«
    »Renko.«
    »Nein, ich meine Ihren Vornamen.«
    »Arkadi.«
    Sie wiederholte ihn, wie um ihn auszuprobieren, und fand ihn annehmbar. Als er aufstand, berührte sie leicht seine Hand. »Arkadi, ich

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