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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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uns getan.«
    »Sagt Ihnen der Name Pascha Iwanow etwas?«, fragte Arkadi die Frauen.
    »Sie sind ja schlimmer als Alex«, erwiderte Eva. »Er hat die verschrobene Vorstellung, Tiere seien mehr wert als Menschen, aber Sie sind noch schlimmer. Sie sind nur ein Bürokrat mit einer Liste von Fragen. Diesen Frauen hier wurde eine ganze Welt genommen. Ihre Kinder und Enkel dürfen sie einmal im Jahr für einen Tag besuchen. Die Russen haben uns Geld, Medikamente und Ärzte versprochen. Und was bekommen wir? Alex Gerasimow und Sie. Er betreibt wenigstens Forschung. Aber wozu hat man Sie aus Moskau hierher geschickt?«
    »Um mich loszuwerden.«
    »Das wundert mich nicht. Und haben Sie schon was herausgefunden?«
    »Nicht viel.«
    »Wie ist das möglich? Die Sterberate hier ist doppelt so hoch wie normal. Wie viele Menschen sind durch den Reaktorunfall ums Leben gekommen? Manche sagen achtzig, andere sagen achttausend, wieder andere eine halbe Million. Wissen Sie, dass die Krebsrate im Raum Tschernobyl fünfundsechzigmal höher ist als normal? Aber von diesem leidigen Thema wollen Sie natürlich nichts hören.«
    Wollte sie ihn in Grund und Boden starren? So ähnlich musste sich ein Falkner fühlen, der einen noch nicht ganz abgerichteten Greifvogel hielt.
    »Ich wollte Ihnen durchaus ein paar Fragen stellen, aber nicht unbedingt hier.«
    »Nein, Maria und die anderen Frauen können etwas Ablenkung gut gebrauchen. Wir werden uns alle mit einer einzigen russischen Leiche beschäftigen.« Eva öffnete eine Packung Zigaretten und bot ihren Patientinnen welche an. »Schießen Sie los.«
    »Haben Sie Medikamente?«, fragte Arkadi.
    »Ja, nicht viele, aber doch einige.«
    »Müssen welche kühl gelagert werden?«
    »Ja.«
    »Und andere tiefgekühlt?«
    »Ein oder zwei.«
    »Wo?«
    Eva Kaska nahm einen tiefen Zug an ihrer Zigarette. »In einem Gefrierraum natürlich.«
    »Haben Sie einen, oder benutzen Sie den in der Kantine?«
    »Ich muss zugeben, dass Sie eine Hartnäckigkeit besitzen, die Ihnen in Ihrem Beruf bestimmt weiterhilft.«
    »Bewahren Sie Medikamente im Gefrierraum der Kantine auf?«
    »Ja.«
    »Haben Sie die Leiche in dem Gefrierraum gesehen?«
    »Ich bekomme viele Leichen zu sehen. Wir haben mehr Todesfälle als Lebendgeburten. Danach sollten Sie fragen.«
    »Sie haben Lew Timofejews Leiche gesehen.«
    »Und wenn? Ich habe mit Sicherheit nicht gewusst, wer er war.«
    »Und Sie haben in einem Brief darauf hingewiesen, dass er nicht an einem Herzanfall gestorben sei.«
    Maria und die Frauen auf der Bank ließen ihre Blicke zwischen Eva und Arkadi hin und her wandern wie bei einem Tennismatch. Olga lehnte sich vor und putzte ihre Brille.
    »Etwas genauer.«
    »Da lag ein Toter«, sagte Eva. »Er trug einen Anzug und steckte in einem Plastiksack. Ich hatte ihn noch nie gesehen. Das ist alles.«
    »Und man hatte Ihnen gesagt, dass er an einem Herzanfall gestorben sei?«
    »Weiß ich nicht mehr.«
    Arkadi schwieg. Manchmal war es besser zu warten, insbesondere bei einem so wissbegierigen Publikum wie Maria und ihren Freundinnen.
    »Ich nehme an, das Küchenpersonal hat gesagt, er habe einen Herzanfall gehabt«, sagte Eva.
    »Wer hat den Totenschein ausgestellt?«
    »Niemand. Niemand kannte ihn, und niemand wusste, wie er gestorben war und wann.«
    »Aber Sie sind doch eine Art Expertin auf dem Gebiet. Wie ich höre, waren Sie in Tschetschenien. Es ist ungewöhnlich, dass eine ukrainische Ärztin bei russischen Kampftruppen dient.«
    Evas Augen funkelten. »Da haben Sie etwas falsch verstanden. Ich war mit einer Gruppe von Ärzten dort, um russische Gräueltaten an der tschetschenischen Zivilbevölkerung zu dokumentieren.«
    »Wie zum Beispiel aufgeschlitzte Kehlen?«
    »Genau. Dem Toten im Gefrierraum war mit einer einzigen Bewegung von hinten mit einem langen scharfen Messer die Kehle durchschnitten worden. Aus dem Winkel des Schnitts lässt sich ableiten, dass sein Kopf nach hinten gerissen wurde und dass er kniete oder saß. Oder der Mörder war mindestens zwei Meter groß. Da die Luftröhre durchtrennt wurde, konnte er keinen Laut mehr von sich geben, und wenn er hier auf dem Friedhof umgebracht worden ist, hat kein Mensch was gehört.«
    »Laut Bericht haben sich Wölfe an ihm zu schaffen gemacht. Ist damit sein Gesicht gemeint?«
    »So was kommt vor. Wir sind hier in der Zone. Wie auch immer, jedenfalls möchte ich mit Ihrer Untersuchung nichts zu tun haben.«
    »Dann lag er also auf dem Rücken?«
    »Weiß ich

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