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Treue in Zeiten Der Pest

Treue in Zeiten Der Pest

Titel: Treue in Zeiten Der Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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Hygienemaßnahmen, dachte Uthman, sondern nur darum, die Stadt für die kommende Messe herauszuputzen. Ob die nachlässigen Stadtväter das nicht bald schon bereuen würden?

 
    4
     
     
     
    Ende April 1318. Die Hitze
     
    Es war dunkel. Aber nicht dunkel genug, um zu verbergen, welch grausigen Anblick Quimpers Straßen boten. Selbst wenn sich der Vollmond hinter dichten Regenwolken verzog, konnte im trüben Fackelschein jeder sehen, dass Tote im Schmutz der Straßen lagen. Die zwei, drei unerwarteten Todesfälle, mit denen die Einwohner von Quimper konfrontiert worden waren, hatten zunächst nur Verwirrung ausgelöst. Jetzt, wo der zufällige Tod zu einem unabwendbaren Massensterben wurde, schlug diese in Bestürzung um. Und es würde nicht mehr lange dauern, bis die Menschen von panischer Angst ergriffen würden.
    Vor dem ehemaligen Bischofspalast erzählte eine alte Frau eine Legende, deren Moral den Menschen helfen sollte, sich vor der Krankheit zu schützen.
    »Im Wald am Menez-Hom, dort, wo sich heute Ploumodiern erhebt, lebte einst der Einsiedler Sankt Corentin. In der Nähe seiner Einsiedelei gab es einen klaren Brunnen. Darin schwamm ein Fisch, wie man ihn noch nie gesehen hat. Jeden Tag konnte Corentin ein Stück von seinem Fleisch abschneiden, und jeden Tag wuchs es wieder nach. Eines Tages kam König Gradion zur Einsiedelei. Er hatte sich auf der Jagd verirrt und war von Hunger und Müdigkeit völlig erschöpft. Corentin pflegte ihn und nährte ihn mit seinem Fisch und dem klaren Wasser seines Brunnens. Als der König wieder bei Kräften war, belohnte er Corentin fürstlich und pries den Fisch und das Wasser des Brunnens, die ihn gestärkt und gesund gemacht hatten.«
    Die Alte hatte geendet, die Umstehenden starrten sie mit offenem Mund an und schwiegen. Die Alte fuhr also fort: »Und, was lernen wir daraus, Leute von Quimper?«
    Doch die Angesprochenen antworteten nur mit einem Schulterzucken. »Nun, trinkt klares Wasser, wascht euch damit, und die Krankheiten werden vergehen. So einfach ist das.«
    »Allzu einfach, würde ich sagen!«, rief ein Mann. »Du denkst zu wenig und erzählst zu viel, du alte Hexe!«
    »Warum?«, meinte eine Frau, die neben ihm stand. »Frisches Wasser hat mir noch immer gut getan.«
    Und so bildeten sich rasch kleine Gruppen, die darüber diskutierten, wie viel Wahrheit in der Moral steckte, die die Alte ihnen präsentiert hatte.
    Auch Joshua war unter den Anwesenden. »Die Alte hat ganz Recht!«, rief er. »Frisches Wasser ist die beste Medizin! Wir müssen uns regelmäßig waschen und dürfen nur aus den öffentlichen Brunnen trinken, die unbedingt rein gehalten werden müssen.«
    »Was hast du denn hier zu suchen?«, rief ein junger Fleischhauer. »Du bist doch Jude! Das sehe ich dir doch an! Was mischst du dich in unsere Angelegenheiten ein?«
    »Genau, was mischt sich der Jude hier ein?«
    Joshua achtete nicht auf diese Zwischenrufe und sagte noch einmal eindringlich: »Wascht euch! Wasser ist nicht schädlich, wie man es euch einredet. Es ist gesund. Wenn die Haut schmutzig ist, wird sie schneller von Krankheiten befallen. Das kam durch die Legende von Sankt Corentin ganz richtig zum Ausdruck.«
    Plötzlich rückte der Fleischhauer mit zwei weiteren Burschen näher.
    »Willst du wohl still sein, Jude!«, sagte der Anführer. »Was bezweckst du mit deinem Gerede? Jeder weiß, dass Wasser Krankheiten überträgt, wir werden uns daher bestimmt nicht waschen. Und trinken tun wir das Wasser aus den Brunnen auch nur, wenn wir es vorher abgekocht haben.«
    »Am liebsten trinken wir es allerdings, wenn es sich danach mit Bier vermischt hat!«, rief irgendjemand von weiter hinten.
    Die Feststellung löste allgemeines Gelächter aus. Joshua wollte die Gelegenheit nutzen, um sich fortzuschleichen. Er kannte solche Stimmungen. Es war besser, sie nicht weiter anzurühren. Aber einer der Burschen, die sich vor ihm aufgebaut hatten, packte ihn am Kragen.
    »Wohin des Wegs, mein Alter? Du trägst einen so schönen großen Haken im Gesicht, an dem man dich gut aufhängen kann! Verdient hast du es, denn irgendwie habe ich im Gefühl, du hast unser Brunnenwasser vergiftet. Warum sonst solltest du uns dieses Zeug so inbrünstig anpreisen? Zudem habt ihr Juden unser Wasser vor einiger Zeit schon einmal vergiftet, indem ihr Unflat in unsere Brunnen geschüttet habt. Starben damals etwa nicht über hundert Menschen an eurer Gräueltat?«
    »Er hat Recht!«, schrie ein Marktweib.
    »Lasst

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