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Treue in Zeiten Der Pest

Treue in Zeiten Der Pest

Titel: Treue in Zeiten Der Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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ihren Mann. Oder, was noch schwerer wiegen würde, dass Väter und Mütter sich scheuen, zu ihren Kindern zu gehen und sie zu pflegen.«
    »Wahrhaftig! Das wäre nicht gut.«
    »Nicht gut, Bürgermeister? Das wäre katastrophal! Es bedeutete den Zusammenbruch der gesamten Gemeinschaft.«
    »Natürlich, Priester Rohan, Ihr habt ganz Recht. Ich werde Euch natürlich auch in dieser Hinsicht bestmöglich unterstützen. Aber nun sprecht, Jurreau, was empfehlt Ihr uns?«
    Jurreau räusperte sich. »Nun, vor allem darf sich in der nächsten Zeit niemand mehr waschen. Und die Brunnen müssen unbedingt versiegelt werden. Denn vom Wasser geht die größte Gefahr aus!«
    »Dachte ich es mir doch!«, sagte der Bürgermeister. »Dasselbe habe ich diesem Juden gesagt, der mir unbedingt einreden wollte, dass Waschen der beste Schutz gegen die Seuche sei. Ich gestehe, ich habe zunächst gezweifelt, ob er vielleicht Recht haben könne, aber nun fürchte ich, dieser Gottesmörder führt irgendetwas im Schilde. Womöglich hat er unsere Brunnen vergiftet und wartet nur darauf, dass wir seinem Vorschlag folgen.«
    »Er will, dass wir uns alle anstecken, dieser Hund!« Rohan war aschfahl geworden. »Wir müssen diesem Teufel das Handwerk legen!«
    »Langsam!«, sagte Jurreau. »Ihr mögt Recht haben mit Eurem Urteil, aber allein, indem wir den Juden bestrafen, haben wir die Seuche noch nicht bekämpft. Schlimmer noch. Die Leute könnten glauben, wenn der Jude bestraft ist, besteht keine Gefahr mehr. Aber wenn das Wasser tatsächlich vergiftet ist…«
    »Was dann?«, fragte der Bürgermeister.
    »Wir müssen den Bürgern unbedingt klar machen, dass sie sich so lange vom Wasser fern halten müssen, bis wir Entwarnung geben! Wasser bringt Unheil, ganz gleich, ob der Jude es vergiftet hat oder nicht. Wasser öffnet die Haut, und das führt dazu, dass die Miasmen schneller in den Körper gelangen und sich mit den inneren Säften verbinden. Es ist daher nicht nur äußerst wichtig, auf das Waschen zu verzichten, nein, die Hautporen müssen sogar absichtlich mit Schmutz verschlossen werden. Nur so kann der Mensch dem feindlichen Angriff der Seuche standhalten.«
    »Das klingt sehr einleuchtend«, sagte der Bürgermeister.
    »Hm, ich weiß nicht«, murmelte indes der Priester.
    »So glaubt mir doch. Das Wasser macht den Körper aufnahmebereit für die Krankheit. Nur durch das Wasser gelangen die schädlichen Stoffe in den Leib. Und wenn es erst einmal eingedrungen ist, entfaltet es seine verhängnisvolle Wirkung in Windeseile, es stört das innere Gleichgewicht und lässt die Seuche ungehindert passieren.«
    »Und welche Mittel könnt Ihr als Medicus zum Schutz vor der Krankheit empfehlen?«
    »Nun, wir können Theriak an die Einwohner verteilen«, schlug Jurreau vor.
    »Was ist das?«, wollte Rohan wissen.
    »Ein wirkungsvolles Antidotium, das beste Gegengift gegen Seuchen. Ich stelle es aus Opiaten, Schlangengiften, getrocknetem Krötenpulver und einigen anderen Substanzen her, die ich hier nicht verraten will.«
    »Gut!« Der Bürgermeister nickte befriedigt. »Es freut mich, dass wir so viele Möglichkeiten haben. Dennoch müssen wir bedenken, dass unsere Schutzmaßnahmen auch fehlschlagen können, und dann müssen wir unbedingt etwas tun, um das Volk zu beruhigen, um es davon abzulenken, uns die Schuld für das Elend in die Schuhe zu schieben.«
    »Wie meint Ihr das?«, fragte der Medicus. »Drückt Euch deutlicher aus.«
    Der Bürgermeister fasste die beiden Männer, die ihm gegenübersaßen, fest ins Auge. »Wir dürfen nicht zimperlich sein, meine Herren, ansonsten wird es uns gehörig an den Kragen gehen. Wir sollten daher zur rechten Zeit verlautbaren lassen, dass alle Quellen und Brunnen von Juden vergiftet worden sind. Womöglich haben wir damit ohnehin Recht.«
    »Aber gibt es denn überhaupt noch Juden in Quimper?«
    »Es gibt zumindest einen. Ich erzählte Euch vorhin von ihm. Dieser eine reicht schon, und es wird nicht schwer sein, seiner habhaft zu werden.«
    Der Priester, der an dem Vorschlag des Bürgermeisters Gefallen fand, weil er wusste, wie feurig er seine nächsten Predigten gestalten konnte, wenn sie wieder einmal die Hinterlist der Juden zum Thema haben konnte, sagte: »Wir sollten am besten jetzt schon die ersten Gerüchte verbreiten. Je eher so etwas in Umlauf kommt, desto gründlicher lenkt es die Menschen von der Seuche ab.«
    »Ein hervorragender Gedanke!«, rief der Bürgermeister aus und schlug sich auf die

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