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Treue in Zeiten Der Pest

Treue in Zeiten Der Pest

Titel: Treue in Zeiten Der Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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aber verbreitet sie sich äußerst rasch. Ihre Ausbreitung muss daher unbedingt verhindert werden. Deshalb müssen alle Schiffe, egal, wo sie herkommen, den Hafen verlassen oder verbrannt werden.«
    »Die Pest – was soll das sein? Schon wieder eine neue Krankheit? Ein paar Leute in der Stadt sind am inneren Fieber gestorben, das weiß ich auch. Aber das ist doch noch lange keine Seuche. Im diesem Fall müssten ja alle Einwohner von Quimper längst daniederliegen!«
    »Das werden sie auch bald, wenn wir nicht frühzeitig handeln, denn die Pest ist unbezwingbar!«, sagte Uthman. »Ist sie einmal ausgebrochen, kann sie nichts mehr aufhalten.«
    »Woher wollt Ihr das wissen? Seid Ihr Arzt?«
    »Ich weiß es, das genügt.«
    »Wir sind starke Männer! Wenn wir die Ratten auch von den anderen Schiffen vertrieben haben, kann nichts mehr geschehen.«
    »Die Seuche befällt jeden!«, sagte Uthman. »Ganz gleich, wie stark oder schwach er ist.«
    »Ihr seid tatsächlich kein Arzt«, sagte der Seemann lachend. »Ihr seid Märchenerzähler!«
    Henri versuchte, den Männern die Gefahr deutlicher zu machen, indem er ihnen von den Auswirkungen der Krankheit berichtete. »Manche von euch werden noch am Tag der Ansteckung sterben, andere erst zwei oder drei Tage später. Dabei ist egal, wer angesteckt wird, ob Männer oder Frauen, Seeleute oder Stadtschreiber. Euch befällt ein heftiges Fieber, die Seuche kriecht in eure Köpfe, und ihr könnt nicht mehr sprechen. Ihr fallt in Ohnmacht, und wenn ihr erwacht, ist eure Zunge gelähmt. Ihr bekommt blutigen Auswurf und einen übel riechenden Atem, eure Münder trocknen von der Hitze aus und werden schwarz und blutig. Unter der Schulter, am Kiefer und im Gesicht bilden sich schwarze Knoten, und der ganze Körper wird von dunklen Stichen übersät. Ihr werdet ungeahnte Qualen leiden und glauben, ihr werdet wahnsinnig, und dann, irgendwann, holt euch der Tod.«
    Der Barkenführer hatte während des gesamten Vortrags immer wieder abfällige Gesten gemacht. Die Matrosen hatten sprachlos zugehört. Zum Schluss bekreuzigten sich sogar einige.
    »Unsinn!«, schnauzte der Barkenführer in die angsterfüllte Stille hinein. »Uns Seeleute hat die frische Meeresluft gestärkt. Uns geschieht nichts. Nur euch Städtern wird die Seuche so zusetzen, wie Ihr es gerade beschrieben habt, denn Ihr seid jämmerlich und schwach.«
    »Mein Gefährte hat euch erschreckt mit seiner Forderung, die Schiffe zu verbrennen. Das verstehe ich. Dann tut aber wenigstens etwas für die Hygiene an Bord. Schaut euch nur an, wie schmutzig ihr seid! Wascht euch jeden Tag mit Meerwasser. Und zwar möglichst dort, wo keine Ratten herumschwimmen. Die fasst ihr übrigens am besten überhaupt nicht mehr an, vor allem nicht die toten.«
    »Ich glaube, langsam dämmert mir etwas«, sagte der Barkenführer und schaute die Freunde aus zusammengekniffenen Augen an.
    »Und was wäre das?«, fragte Henri.
    »Dass ihr beiden ganz offensichtlich Spione seid, die uns die Konkurrenz auf den Hals geschickt hat!«
    »Welche Konkurrenz?«
    »Genau!«, rief ein Matrose. »Ihr wollt uns doch nur fertig machen!«
    »Ihr nehmt uns unsere Lebensgrundlage!«, rief der Barkenführer. »Wahrscheinlich wollt ihr später selbst ins Geschäft einsteigen!«
    »Das glaubst du doch nicht wirklich«, sagte Uthman.
    »Warum sonst solltet ihr uns einen solchen Unfug auftischen?«
    »Die Pest sitzt dir anscheinend schon im Kopf, Kapitän!«, sagte Uthman, wütend darüber, dass ihr wohlmeinender Rat so niederträchtig ausgelegt wurde. Doch hätte er seine Zunge besser im Zaun halten sollen, denn mit seinen Worten brachte er auch jene Matrosen gegen sich auf, die bislang noch auf ihrer Seite gestanden hatten.
    »Werft die beiden Querulanten ins Wasser!«, rief ein junger Matrose mit einer blutigen Schramme am Hals. »Wenn sie uns so gerne das Waschen predigen, sollen sie doch selbst damit anfangen.«
    Angesichts der aufgeheizten Stimmung zog Uthman sein Schwert. »Rührt euch nicht von der Stelle!«, rief er. »Wer uns auch nur anfasst, wird sich freuen können, dass ihm die Pest erspart bleibt!«
    »Was…«
    »Zur Seite!«, befahl jetzt auch Henri.
    Ein Matrose hatte plötzlich zwei tote Ratten in der Hand. Blitzschnell warf er sie Henri und Uthman entgegen. Die beiden konnten jedoch geschickt ausweichen. Da sie rückwärts zurückwichen, sahen sie allerdings nicht, was sich hinter ihnen abspielte. Sie waren daher ziemlich überrascht, als sie auf etwas

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