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Treue in Zeiten Der Pest

Treue in Zeiten Der Pest

Titel: Treue in Zeiten Der Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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ihm stand – falls er überhaupt noch einmal aufkreuzen sollte.
    »Also dann, bis morgen«, sagte der Bürgermeister grinsend.
    »Bis morgen zur gleichen Zeit«, sagte Henri.

 
    7
     
     
     
    Anfang Mai 1318. Das Pestbild
     
    Als Jean-François, der neue Geselle des verstorbenen Buchmalers Maxim, in die Stadt zurückkehrte, erkannte er diese kaum wieder. Überall kamen ihm klagende Pilger, Betende und Geißler entgegen. Auch Angéliques Mutter Hildegardis und ihre jüngere Schwester Maufra konnten es nicht fassen. Was war geschehen? Auf der Heimreise waren ihnen ein paar Flüchtlinge begegnet, die von der Rattenplage und den plötzlichen Todesfällen berichtet hatten, doch sie hatten ihnen nicht glauben wollen. Bis nach Brest, wo die Buchmalermesse stattgefunden hatte, war diese Kunde nicht gedrungen. Und auch sonst hatten die Frauen im ganzen Finistère nichts von einer solchen Plage gehört.
    Die beiden wussten daher auch nichts von Angéliques Erkrankung. Hildegardis erschrak fast zu Tode, als André ihr erzählte, dass sie seit sechs Tagen daniederlag. Die Erholung am Vortag war, wie befürchtet, nur ein kurzes Intermezzo gewesen. Mittlerweile lag die Kranke abermals im Fieber. Als Mutter und Schwester zur ihr in die Kammer traten, war sie bewusstlos.
    Sean wachte immer noch am Krankenbett. Er sah müde und apathisch aus. Seine Wangen waren eingefallen, seine Augen tränten. Allerdings hatte er sich erstaunlicherweise nicht mit der Seuche infiziert. Seine Erschöpfung war lediglich auf seine langen Nachtwachen zurückzuführen und darauf, dass er kaum noch etwas aß. Doch selbst wenn Angélique ihn infiziert hätte, er hätte es nur für einen Liebesbeweis gehalten. Mittlerweile war er so verzweifelt, dass er glaubte, seiner Geliebten nur noch helfen zu können, indem er die Krankheit mit ihr teilte.
    Gerührt und voller Anerkennung legte Hildegardis Sean die Hände auf den Kopf. Anschließend befahl sie ihm, sich auszuruhen. In der Mansarde stand ein unbenutztes Bett, das er benutzen sollte. Sean war dankbar für die Ablösung und torkelte benommen aus der Kammer.
    Hildegardis und Maufra übernahmen die Wache an seiner Stelle. Die Mutter versuchte, mit Angélique zu sprechen, doch diese reagierte nicht. Völlig verzweifelt blickten Mutter und Schwester auf das Krankenbett. Irgendwann verließ Maufra weinend das Zimmer. Der von der Reise erschöpften Hildegardis sank nach und nach der Kopf auf die Brust. Sie versuchte zu begreifen, was vor sich ging.
    So fanden Henri und Uthman sie vor.
    Die beiden begrüßten die alte Frau überaus herzlich. Sie kannten sie noch von ihrem letzten Besuch in der Stadt.
    Auch Hildegardis war froh, die Männer zu sehen, von denen sie sich Trost und Aufklärung versprach. »Es wird so viel erzählt, aber euch vertraue ich. Also sagt mir: Um was für eine Krankheit handelt es sich?«
    »Es ist die Pest«, antwortete Henri.
    Die Alte wurde bleich. »Ist das sicher?«
    »Leider ja.«
    »Warum nur, warum…?«
    »Niemand weiß es«, antwortete Uthman. »Vielleicht haben Seefahrer sie übers Meer gebracht. Vielleicht kommt sie von Süden. Sie kann den Flussläufen gefolgt oder mit den Vögeln geflogen sein.«
    »Ihr klingt wie ein Dichter«, sagte Hildegardis. »Doch die Wirklichkeit wird weit weniger poetisch sein, fürchte ich. Wie viele sind schon gestorben?«
    »Genau wissen wir es nicht«, sagte Henri. »Mittlerweile vergeht allerdings kein Tag mehr, an dem nicht mindestens einer stirbt. Meist findet man die Toten auf der Straße. Sie werden dann verscharrt.«
    »Haben wirklich die Juden etwas damit zu tun?«
    Henri lachte bitter. »Eine solche Frage hätte ich von Euch nicht erwartet!«
    »Ich habe von diesem Vorwurf gehört und möchte nun wissen, wie viel Wahrheit er enthält. Ihr solltet mir nicht vorwerfen, dass ich alle Möglichkeiten abwäge. Ich bin Kauffrau, das gehört zu meinem Geschäft. Schön früher habe ich wiederholt davon reden hören, dass Juden Seuchen verbreitet haben sollen. In einigen Gegenden glaubte man allerdings auch, die Armen seien schuld, wenn irgendwo eine Seuche ausbrach. Sie wurden dann wie die Juden verfolgt und getötet.«
    »In Krisenzeiten verhalten Menschen sich oft unerklärlich«, sagte Henri.
    »Einmal, als ich an einem unerklärlichen Fieber litt, empfahl mir jemand einen armenischen Würfel«, erinnerte sich Hildegardis. »Es war ein Geheimrezept zur Säuerung der Körpersäfte, und es half, mein Fieber verschwand wieder.«
    »Viele

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