Treue in Zeiten Der Pest
großen Proviantkorb aus dem Gefängnis schmuggeln. Allerdings müssten wir ihn dafür sicher reichlich belohnen.«
»Geld spielt keine Rolle«, sagte Henri. »Du weißt, dass ich fast überall in Frankreich auf eines der Templerschatzdepots zurückgreifen kann, die ich angelegt habe. Es muss nur sicher sein, dass der Plan auch wirklich gelingt. Sollte er fehlschlagen, werden wir Joshua vielleicht niemals Wiedersehen.«
»Wir müssen rasch handeln«, warnte Uthman. »Bevor sie anfangen, Joshua zu foltern – oder noch Schlimmeres mit ihm anstellen.«
»Nein«, meinte Henri, »das werden sie nicht wagen. Obschon – der Bürgermeister würde alles tun, um sich die Gunst der Bürger zu sichern. Aber ich denke, in ihm haben wir den richtigen Ansprechpartner gefunden. Maire Michel braucht Geld, um seine Maßnahmen gegen die Seuche zu finanzieren. Wenn es so weitergeht wie bisher, wird er immer mehr Totengräber und Gefängnisbüttel einstellen müssen. Ich werde mit ihm reden. Wenn ich ihm genug Geld biete, rückt er Joshua vielleicht heraus. Er kann es sich gar nicht leisten, ihn festzuhalten.«
Auch Uthman hielt Henris Plan für vernünftig und bat ihn, sofort zum Bürgermeister aufzubrechen, bevor Joshua noch irgendetwas passieren konnte. Er selbst wollte nicht mit zum Bürgermeister kommen, denn – und so dachte auch Henri – als Sarazene lief er Gefahr, einen ähnlichen Hass auf sich zu laden, wie Joshua es als Jude getan hatte.
Als Henri am Rathaus eintraf, hatte seine Wut auf den Bürgermeister wieder die Oberhand gewonnen. Ohne um Erlaubnis zu bitten, stürmte er in dessen Zimmer. Einer der Ratsbüttel versuchte, ihn aufzuhalten, und hing sich an seinen rechten Arm. Er wurde von dem starken Ritter jedoch nur mit in den Raum geschleift.
Der Bürgermeister saß hinter seinem Schreibtisch und sah einige Papiere durch. Henri stieß den Büttel beiseite, der ihm den Eintritt verwehren wollte. Der Mann schrie um Hilfe. Als daraufhin zwei weitere Büttel heranstürmten, schloss Henri blitzschnell die Tür und zeigte ihnen sein Messer.
»Keine unüberlegte Bewegung! Ich will nur ein paar Auskünfte haben. Wenn ihr die Finger von mir lasst, wird es ganz friedlich zugehen.«
»Lasst ihn!«, befahl der Bürgermeister. »Dieser Mann wird mir nichts tun. Ihr könnt gehen.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher, Maire Michel!«, sagte Henri, nachdem die Männer den Saal verlassen hatten. »Was ist mit meinem Gehilfen, Joshua ben Shimon?«
»Woher soll ich das wissen, Kaufmann?«, schnauzte der Bürgermeister. »Er ist doch Euer Gehilfe, nicht der meine!«
»Stellt Euch nicht dumm. Ich weiß, dass Ihr ihn ins Gefängnis habt werfen lassen. Ich schlage vor, Ihr entlasst ihn, dann werdet Ihr keine weiteren Probleme haben.«
»Ihr seid ja krank«, entgegnete der Bürgermeister und lehnte sich in seinem Armsessel zurück. »Man muss Euch wohl in ein Spital einliefern. Ihr redet ja schon im Delirium.«
»Gut, dann versuchen wir es anders. Ich biete Euch ein Geschäft an. Ich kaufe meinen Gehilfen frei!«, sagte Henri. »Wie viel verlangt Ihr für ihn?«
Maire Michel lachte laut auf. Jetzt schnappt dieser verrückte Kaufmann völlig über, dachte er. Aber wenn er unbedingt Spielchen mit mir treiben will, bitte. Wollen wir doch mal sehen, was er zu diesem Zug zu sagen hat: »Fünftausend Goldstücke und zehn reine Diamanten, dann lasse ich Euren Gehilfen frei.«
»In Ordnung«, sagte Henri. »Morgen zur gleichen Zeit bringe ich Euch, was Ihr verlangt.«
»Fünftausend Goldstücke und zehn reine Diamanten?«, wiederholte der Maitre ungläubig, aber immer noch lachend. »Wie wollt Ihr das in so kurzer Zeit beschaffen?«
»Das lasst meine Sorge sein!«
»Gut, erhöhen wir die Summe um das Doppelte!«
»In Ordnung. Auch das wird machbar sein.«
»So viel ist Euch dieser Jude wert? Er muss ja ein ganz besonderer Gehilfe sein!«
»Er ist ein Freund«, entgegnete Henri grimmig. »Und Ihr könnt sicher sein, dass Ihr es bitter büßen werdet, wenn ihm bis morgen auch nur ein Haar gekrümmt wird.«
Der Bürgermeister überlegte. Selbst wenn diesem Roslin der Jude so viel wert war, wie er behauptete, würde er die verlangte Summe unmöglich beschaffen können. Woher sollte ein einfacher Tuchhändler so viel Geld bekommen? Es war lächerlich. Wozu sich also Sorgen machen? Es könnte sogar ganz amüsant werden zu sehen, welche Ausrede der Kerl sich am nächsten Tag einfallen ließ, wenn er mit nichts in der Hand wieder vor
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