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Treue in Zeiten Der Pest

Treue in Zeiten Der Pest

Titel: Treue in Zeiten Der Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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hinüber«, sagte Henri leise zu Sean. »Wir müssen ihm den Rücken stärken, denn mir schwant nichts Gutes. Genauso fangen Pogrome an.«
    Aber noch bevor er sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, reckte der Bürgermeister seinen Hals und deutete auf Henri.
    »Dort ist ein Jude! Ich kenne ihn. Er ist ein Tuchhändler und Schacherer.«
    »Welchen meint Ihr?«
    »Den großen, kräftigen mit den langen, schwarzen Haaren und dem gestutzten Bart!«
    »Aber er sieht nicht aus wie ein Jude, eher wie ein Ritter!«
    »Ergreift den Juden!«
    Henri packte Sean am Arm. Er warf Uthman einen Blick zu, der besagte, er solle unauffällig verschwinden. Dann erhob Henri die Stimme.
    »Bürger von Quimper! Lasst euch nichts einreden! Weder bin ich ein Jude, noch haben die Juden schuld an der Krankheit, die in Quimper ausgebrochen ist! Im Gegenteil, ich suche nach einer Lösung gegen die Seuche! Wir müssen die Krankheit gemeinsam bekämpfen! Und wir dürfen uns nicht durch unnützen Hass davon ablenken lassen!«
    Da ertönte die dröhnende Stimme des Priesters, und die Menge wurde abgelenkt und hörte ihm zu. »In diesem Jahr verbrannte und tötete man die Juden vom Johannesfest bis Allerheiligen im ganzen Land, mit Ausnahme der Stadt Avignon, die der Papst erworben hat. Man erzählte sich und hörte, ja, sie gestanden es selbst, dass sie, wie auch den Aufzeichnungen des folgenden Jahres zu entnehmen war, die Brunnen vergiftet hätten. Da ließen die Bürger sie nur noch aus den Brunnen und Zisternen der Christen trinken und ihre eigenen durch Mist und Steine unbrauchbar machen, während die Christen dem See und nicht mehr den Brunnen ihr Wasser entnahmen!«
    »Machen wir es hier genauso!«, schrie ein Abdecker.
    »Aber wo sind die Brunnen der Juden?«
    »Es gibt keine Juden in Quimper, also gibt es auch keine Judenbrunnen.«
    »Angefangen hat alles mit den Juden aus Toledo!«, schrie der Prediger. »Sie haben Giftbeutel an Glaubensbrüder verteilt. Zusammen mit dem ortsansässigen Rabbiner und einem Komplizen haben sie diese Beutel sogar an Glaubensbrüder in aller Welt verschickt, damit überall Christenbrunnen vergiftet werden. Jetzt ist das Gift auch in eurer Stadt angekommen. Und es ist jemand unter euch, der es mitgebracht hat.«
    »Meint er Joshua damit?«, fragte Sean an Henris Seite.
    »Vielleicht. Doch was er sagt, klingt nach einer alten Lüge«, erwiderte Henri leise. »Ich sehe übrigens, dass sich Uthman offenbar verdrückt hat. Wir sollten das besser auch versuchen.«
    Doch es war bereits zu spät. Ein herbeieilender Matrose deutete plötzlich mit dem Finger auf Henri. »Das ist er! Ich erkenne ihn wieder! Er ist es, der die Schiffe im Hafen angezündet hat! Na klar! Der da!«
    »Ergreift den Juden endlich, und macht ihm den Garaus!«
    Henri erhaschte noch den hämischen Gesichtsausdruck des Bürgermeisters, dann sprang er auf sein Pferd. Er zog Sean hinter sich auf den Rücken des Tieres und gab diesem die Hacken Erschrocken schoss das Pferd voran.
    Die Menge war einen Moment lang verdutzt. Dann erhob sich ein ohrenbetäubendes Geschrei. Die Schnellsten rannten dem davonpreschenden Gespann hinterher. Dabei wurden auch Waffen geschwenkt. Ein Steinbrecher schleuderte einen Stein auf die Flüchtenden, verfehlte sie aber.
    Henri überlegte angestrengt, wohin er reiten sollte. Er legte einige Straßenzüge zurück, da kam schon das südliche Ausfalltor in Sicht. Plötzlich versperrte der Karren eines Händlers die Straße. Hinter sich hörte Henri die Stimmen der näher kommenden Verfolger.
    »Schert Euch fort!«, rief Henri dem Händler zu, der offenbar einen Teil seiner Ladung verloren hatte.
    Ächzend lud er einige heruntergekullerte Fässer wieder auf. Einem musste er auf der abschüssigen Straße hinterherlaufen. Er konnte es endlich einholen und rollte es mühsam die Straße wieder hinauf. Hinter der Straßenkehre kamen die Verfolger in Sicht. Als die Menge Henri und Sean auf dem Pferd erblickte, rannte sie schneller und brüllte vor Zorn. Wieder warf der Steinbrecher ein Wurfgeschoss. Es traf aber nur das Pferd des Händlers, das sich daraufhin aufbäumte und zur Seite wich, den Karren zog es dabei hinter sich her. Dann war ihm die Häuserfront im Weg, und das Zugtier machte jäh kehrt. Der Karren stürzte um, und auch die übrigen Fässer rollten auf die Straße.
    Für Henri und Sean war der Weg nun allerdings frei.
    Henri setzte über die herumrollende Ladung aus Fässern und Ballen. Dann ließ er sein Pferd

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