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Treue in Zeiten Der Pest

Treue in Zeiten Der Pest

Titel: Treue in Zeiten Der Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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mit Leib und Vermögen ihm gehören und er mit ihnen und ihrem Geld machen kann, was er will! Doch auch wir sind gute Christenmenschen. Also gehört auch uns alles, was die Juden besitzen, und auch wir können damit tun, was uns gefällt!«
    »Eben nicht! Die Juden sind des Königs Knechte! Gegen sie darf nur etwas unternommen werden, wenn er dem ausdrücklich zustimmt, sonst zieht ihr euch den Zorn des Königs zu.«
    »Zählt der Wille des Volks denn überhaupt nichts?«
    »Gemach, gemach, liebe Leute! Woher wisst ihr überhaupt, dass nicht ganz andere Menschen den Ausbruch der Seuche in Quimper verursacht haben? Einer Seuche, die es in Nantes übrigens gar nicht gibt! Soviel ich weiß, wütet sie nur bei euch in Quimper und Umgebung! Und dennoch bin ich gekommen, um euch beizustehen. Ich habe keine Angst vor der Krankheit, denn ein aufrechter Mann ist dagegen gefeit. Nicht aber diejenigen, die Sünde auf sich geladen haben.«
    »Und wer sind solche?«, wollte eine Bäuerin wissen, die vom Markt herübergekommen war und einen Korb Eier bei sich trug.
    »Die Schlimmsten sind die Unaufrichtigen. Diejenigen, die vorgeben, jemand zu sein, der sie nicht sind. Juden, die sich als solche nicht zu erkennen geben. Sie tarnen sich, wie es ihnen gefällt, als Tuchhändler oder sonstige Geschäftsleute. Doch das ist nur die Maske, die sie am Tag überstülpen. Nachts enthüllen sie ihr wahres Gesicht. Dann, wenn brave Bürger friedlich schlummern, schleichen sie los und legen Feuer oder verteilen Gift – je nachdem, wie sie es brauchen. Das sind wahre Teufel in Menschengestalt!«
    »Von wem sprichst du, Prediger? Etwa von meinem Nachbarn, dem Tuchhändler Marcel?«
    »Natürlich nicht. Ich sprach ganz allgemein! Es gibt viele solcher Menschen, aber sie sind oft schwer zu erkennen, weil sie sich so gut tarnen. Sicher kennt ihr auch welche, ihr wisst es nur nicht.«
    »Priester Johannes muss Fremde meinen«, mischte sich der Bürgermeister ein. »Einheimische können es nicht sein, denn in dieser Stadt gibt es nur ehrenwerte Bürger. Fremde allerdings… wie viele von ihnen gibt es in dieser Stadt? Denkt nach! Und wer verhält sich auffällig?«
    »Mein Mann verhält sich auffällig, wenn er nachts neben mir liegt und denkt, ich schlafe!«
    Die Menge brach in schallendes Gelächter aus. Doch in das Lachen mischte sich die Stimme des Predigers, die jetzt schärfer klang als zuvor.
    »Ja, noch lacht ihr! Noch glaubt ihr, das Unheil könnte an euch vorüberziehen, wenn ihr es nur fest genug leugnet! Aber ihr täuscht euch! Kaum ist ein weiterer Tag ins Land gegangen, schon jammert auch ihr und klappert mit den Zähnen! Tut etwas, so, wie ihr es geplant hattet. Aber geht besonnen vor, folgt meiner geistigen Führung und der eures Bürgermeisters.«
    »Aber was sollen wir tun?«
    »Bestraft die Sünder, von denen ich vorhin erzählte. Sie brachten euch die Seuche. Lasst sie uns einkesseln und sie der gerechten Strafe zuführen.«
     
     
    Henri und Uthman hatten geplant, gemeinsam zum Rathaus zu gehen. Dort wollten sie sich trennen. Henri wollte noch einmal mit dem Bürgermeister verhandeln, und Uthman sollte noch einmal versuchen, etwas über Joshuas derzeitigen Aufenthaltsort in Erfahrung zu bringen. Doch vor dem Haus des Buchmalers hielt sie der Hausbesorger auf.
    André stand in der Tür und blickte die beiden Männer, die ihre Pferde am Zügel hinter sich herführten, weil die Straße hier immer noch zu baufällig war, um hindurchzureiten, besorgt an. Als sie an ihm vorbeigingen, packte er Henri am Arm und hielt ihn fest. Die ungewohnte Aufdringlichkeit des Mannes erstaunte Henri sehr.
    »Herr, verzeiht mir, dass ich Euch aufhalte. Doch ich bin in großer Sorge und benötige den Rat von jemandem, der mehr von der Welt versteht als ich. Die vielen Toten in der Stadt machen mir Angst. Mehr und mehr Leichen werden nachts zum Friedhof gekarrt. Und immer wieder frage ich mich, ob dies das Ende ist. Sterben wir jetzt alle?«
    »Beruhigt euch, André! Und fasst wieder Hoffnung. Die ganze Stadt trägt dazu bei, die Seuche im Zaum zu halten.«
    »Ja, aber es wird trotzdem weitergestorben! Soll ich eine Wallfahrt machen? Soll ich nach Aachen gehen oder nach Santiago? Oder genügt eine regionale Wallfahrt? Dann gehe ich nach Locmaire.«
    »Eine Wallfahrt ist immer gottgefällig«, sagte Uthman. »Aber sie muss von Herzen kommen. Sie darf nicht berechnend sein. Sie kann Euren Glauben stärken, aber sie ist keine Quittung für Eurer

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