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Treue in Zeiten Der Pest

Treue in Zeiten Der Pest

Titel: Treue in Zeiten Der Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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passierten, die einer von ihnen geöffnet hatte, schloss er sich dem stummen Zug an. Und es gelang ihm tatsächlich, unbemerkt mit hindurchzuschlüpfen. Hinter der Pforte öffnete sich allerdings noch nicht das freie Feld. Vielmehr befand man sich jetzt innerhalb der Stadtmauer! Erst durch eine zweite Tür, die der ersten, durch die sie gerade gekommen waren, gegenüberlag, gelangte man auf die vor der Stadt gelegenen Felder. Als diese geöffnet wurde, erblickte Henri das erste Dämmerlicht. Hinter ihm wurde die Kerkaporta geschlossen.
    Henri wollte bereits mit den anderen Arbeitern auf der Landseite hinausschlüpfen, als er noch im Mauerbereich auf der linken Seite einen Gang bemerkte. Eine schmale Eisentreppe führte hinauf in die Dunkelheit. Im Bruchteil eines Augenblicks entschied Henri, jenseits der Pforte zu bleiben, und fand sich damit ab, dass er notfalls dort ausharren musste, bis die Landarbeiter am Abend zurückkamen. Zu seiner Erleichterung stellte er rasch fest, dass zwar die Außentür zum Umland hin hinter den Landarbeitern wieder verschlossen wurde, die Tür zur Stadt jedoch offen blieb.
    Henri wartete, bis sich die Arbeiter entfernt hatten. Dann überprüfte er die stadtseitige Kerkaporta. Er konnte sie tatsächlich öffnen! Wahrscheinlich würde man sie erst am Abend wieder verschließen, nachdem die Landarbeiter zurückgekehrt waren.
    Angespornt von den glücklichen Umständen, blickte Henri sich nun um. Unterhalb der auf der linken Seite gelegenen Eisentreppe befand sich eine niedrige Tür. Sie war mit einem eisernen Riegel verschlossen. Henri stieg langsam die Treppe hinauf. An ihrem Ende öffnete sich ein kurzer Gang, dessen Wände mit rötlichen Zickzack-Ornamenten bedeckt waren. Er ging diesen Gang entlang, bis er an ein Gittertor kam. Das Tor war verschlossen, dahinter setzte der Gang sich fort. Er musste schon zum Gefängnis gehören. Henri starrte den Gang entlang und lauschte, doch es war niemand zu sehen oder zu hören. Henri holte Luft und rief leise:
    »Joshua? Joshua!«
    Er erhielt keine Antwort, wagte aber auch nicht, lauter zu rufen. Dann, plötzlich, kam ein Wärter den Gang hinter dem Gitter entlang auf ihn zu. Er trug ein Schwert in der Hand und blickte grimmig.
    Henri wusste, dass er einen Fehler gemacht hatte. Aber zurückziehen wollte er sich nicht. Vielleicht hatte er noch einmal so viel Glück wie unten bei der Kerkaporta. Er drückte sich an die Wand neben dem Gitter in den Schatten und wartete.
    Der Wärter kam näher, und Henri hörte, wie seine Schritte sich verlangsamten. Als er das Gitter erreicht hatte, rüttelte er daran und kontrollierte das Schloss.
    »Wer ist da?«, rief der Wärter laut und stieß sein Schwert zwischen den Gitterstäben hindurch.
    »Ich«, antwortete Henri. Blitzschnell trat er aus dem Schatten hervor, griff durch das Gitter nach dem Arm des Wärters und zog diesen mit einem kräftigen Ruck zu sich heran. Der Wärter war so verdutzt, dass er sich nicht wehrte. Sein Kopf schlug hart gegen das Gitter, und sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz und Wut. Henri schlug dem Mann mit seinem Kurzschwert die Waffe aus der Hand, die polternd zu Boden fiel.
    »Den Schlüssel!«, befahl er.
    »Was für einen Schlüssel?«, knurrte der Wärter.
    »Den für diese Gittertür.«
    »Hol ihn dir doch, Schlaumeier!«
    Henri langte dem Wärter grob in den dichten, dunklen Haarschopf und zog ihn mit einem Ruck so herum, dass sein Hinterkopf gegen das Eisengitter schlug. Der Wärter stöhnte auf. Henri tastete nach dessen Gürtel. An dem Schlüsselbund, auf den er dort stieß, hingen zahlreiche große Eisenschlüssel. Henri zog den Bund vom Gürtel und probierte einige Schlüssel aus. Die Tür konnte nur von innen geöffnet werden, was die Sache erschwerte. Endlich hatte er den richtigen Schlüssel gefunden. Als die Tür sich öffnete, fiel der Wärter zu Boden. Henri setzte ihm sein Kurzschwert an die Brust.
    »Wo ist Joshua?«, fragte er.
    »Was meint Ihr? Wir haben zurzeit keine Gefangenen, die Zellen sind leer!«
    Henri gab noch nicht auf. »Und die Menge draußen? Hat sie die Befreiung eines Phantoms verlangt, he?«
    »Was weiß ich?«, brummelte der Wärter achselzuckend.
    An seiner Reaktion erkannte Henri, dass er log. Er wollte Zeit gewinnen. Henri musste also aufpassen.
    »Du führst mich zu der Zelle!«, befahl er und riss den Wärter auf die Füße. »Und wenn du zu langsam gehst, piekse ich dich hiermit.« Henri stieß dem Wärter die Spitze seines

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