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Treue in Zeiten Der Pest

Treue in Zeiten Der Pest

Titel: Treue in Zeiten Der Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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zu sehen. Nirgendwo ein spielendes Kind. Die Häuser wirkten verlassen, obwohl sich die Bewohner darin aufhielten, und überall stank es nach Ammoniak.
    Neuerkrankte wurden nun auf Anordnung in geräumte Wohnhäuser am Rande der Stadt gebracht, die zu geschlossenen Siechenhäusern erklärt wurden. Dort kümmerte sich jeweils ein einziger Pestilenzbader um sie. Hausrat und Habseligkeiten der Erkrankten wurden verbrannt. Überall türmte man riesige Scheiterhaufen auf, deren Flammen bis in den Himmel loderten. In einigen Gassen konnte man vor lauter Rauch die eigene Hand vor Augen nicht erkennen.
    Der Handel mit Kleidung wurde verboten, das Aufhängen von Teppichen in den Kirchen ebenfalls. Herrenlose Hunde und Katzen wurden von städtischen Hundeschlägern getötet. Die Kadaver verbrannte man auf öffentlichen Plätzen, der Rauch und der fürchterliche Gestank sollten die Krankheit vertreiben. Man munkelte, auch hoffnungslos Erkrankte würden jetzt erschlagen werden.
    Unter den allgemeinen Gestank in der Stadt mischte sich allmählich ein süßlicher Verwesungsgeruch. Im Innenhof eines der vielen Hospitäler, die man mittlerweile hatte eröffnen müssen, waren unzählige Leichen übereinander gestapelt und mit ungelöschtem Kalk überschüttet worden. Schlimmer noch als der Geruch, den sie verströmten, war der Anblick der halb zerfressenen Körper.
    So stand es also um Quimper!
    Henri war verzweifelt beim Anblick all diesen Leids. Zusammen mit den Freunden wollte er einem der Ärzte helfen, die vollkommen überarbeitet waren. Nur so war das Verbleiben in dieser Stadt überhaupt zu ertragen. Was um ihn herum geschah, entsprach den schlimmsten Befürchtungen, die er angesichts der Seuche gehegt hatte.
    Während er durch die Stadt ging, schlug Henri immer wieder die Hände vor Mund und Nase. Er musste würgen, und dann konnte er die Revolte seines Magens nicht mehr unterdrücken. Er lief in eine Seitengasse, um sich zu übergeben. Als er nur noch grünlichen Schleim ausspuckte und kalter Schweiß über seinen Körper lief, fühlte er sich schrecklich elend. Schließlich konnte er sich wieder erheben, doch er zitterte an allen Gliedern.
    Der Gedanke, der ihm dann kam, war grausam. War das nur ein Anfall von Übelkeit gewesen, oder war er jetzt selbst infiziert?
    Henri wollte die Antwort gar nicht wissen. Mit weichen Knien ging er weiter. Plötzlich stieß er auf zwei Männer, die völlig entkräftet wirkten und ihn aus unendlich müden Augen anblickten.
    »Kann ich euch helfen?«, fragte Henri sie mit matter Stimme.
    »Schont Euch lieber selbst«, entgegnete einer der Männer schwach, aber freundlich. »Ihr seht auch nicht gerade gut aus.«
    »Wer seid ihr?«
    »Wir sind Pestilenzbader und betreuen dreißig leicht Befallene, und zwar am Rande der Stadt in einem der neu eingerichteten Siechenhäuser. Sie leben dort in einem einzigen Raum zusammen. Wir haben ihn mit Desinfektionsmittel gereinigt und mit verbrannter Haut von Toten ausgeräuchert.«
    »Sie werden sich gegenseitig anstecken.«
    Der zweite Bader zuckte die Schultern. »Die Menschen wollen auf das Abklingen der Seuche warten. Sie glauben an die Überlieferung, die besagt, dass man die Krankheit besiegen kann, wenn man in einem Raum bleibt, ohne mit Außenluft, Hitze und Nahrung in Berührung zu kommen. Wir verabreichen ihnen die gekochten Wurzeln von Rosensträuchern, man isst sie, und man trinkt das Kochwasser. Die Pest soll dadurch vertrieben werden.«
    »Und ihr glaubt wirklich, dass die Seuche so bekämpft werden kann?«, fragte Henri ungläubig.
    Der Bader schüttelte traurig den Kopf. »Diese Behandlung dient lediglich der Vorbeugung. Sie kann nur erfolgreich sein, wenn die Seuche die Behandelten gar nicht erst erreicht. Wenn sie doch kommt, sind sie alle zum Tode verurteilt.«
    »Dann ist es also tatsächlich möglich«, sagte Henri, »dass man inmitten der Seuche überleben kann. Wahrscheinlich befinden sich alle Ärzte an diesem Punkt. Ich würde die dreißig gern sehen.«
    »Das geht nicht. Niemand darf hinein, sonst trägt er die Pest zu ihnen.«
    »Und wie erhalten sie dann ihre Wurzelnahrung?«, fragte Henri verblüfft.
    »Wir stellen sie ihnen mit dem Wasser vor die Tür. Dann versorgen sie sich selbst.«
    »Sind die Wurzeln und das Trinkwasser denn nicht verseucht?«
    Der Bader zuckte die Achseln. »Wir können ihnen nichts anderes geben. Bisher ging alles gut.«
    »Nun, dann wünsche ich euch weiterhin viel Glück«, sagte Henri und

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