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Treue in Zeiten Der Pest

Treue in Zeiten Der Pest

Titel: Treue in Zeiten Der Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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und schlug eine noch breitere Bresche.
    Henri setzte hinterher. Sein Ziel war das Gefängnis. Die Soldaten waren anscheinend so von ihrer Überlegenheit überzeugt, dass dessen Türen nicht mehr sicherten. Henri sprang mitten in die Reihen der Soldaten. Hieb auf Hieb austeilend, stürmte er vorwärts. Die Bewaffneten wichen zurück. Schon stand Henri unter dem Tor des Gefängnisses und trieb die Soldaten hinein.
    Als auch er endlich drinnen war, riss er nach einem kurzen Augenblick der Orientierung den richtigen Schlüssel vom Gürtel, rannte auf das Eisengitter zu und schloss es auf. Als er es passiert hatte, schloss er es sofort wieder hinter sich. Er hoffte, dass es nicht allzu schwer werden würde, die vor die Stadt führende zweite Tür der Kerkaporta zu öffnen. Dass sie gar nicht erst verschlossen worden war, hätte er allerdings nicht gedacht. Henri konnte sein Glück kaum glauben, als sich die Tür einfach aufstoßen ließ.
    Er schlüpfte hindurch und hörte den Kampflärm, der von der anderen Seite herüberschallte. Er wusste, dass er sich auf seine Gefährten verlassen konnte. Nun hoffte er nur noch, dass er sich die Mechanik des großen Stadttors richtig eingeprägt hatte. Er rannte hinüber, sprang in den davor ausgehobenen Graben, kletterte auf der anderen Seite wieder heraus und hangelte sich an den Seilen hoch, die von der Zugbrücke herabhingen. Oben angelangt, das Schwert zwischen den Zähnen, hieb er die Seile durch. Die Zugbrücke fuhr krachend herab, zwei Planken zerbarsten.
    Den weiteren Weg musste Henri sich wieder freikämpfen, denn aus dem schmalen Gang zwischen dem inneren und dem äußeren Stadttor näherten sich mehrere Soldaten. Henri sprang vorwärts, fintierte, duckte sich, parierte, griff an. Er war in seinem Element. Jetzt konnte er endlich etwas tun.
    Die Wachsoldaten begriffen rasch, dass sie keinen einfachen Gegner vor sich hatten. Die Hälfte von ihnen nahm sofort Reißaus. Die anderen fochten weiter. Aber Henri war selbst dieser Übermacht überlegen. Nach mehreren heftigen Attacken lagen drei Angreifer am Boden, die beiden restlichen suchten daraufhin das Weite.
    Henri kannte den Mechanismus großer Stadttore. Er sah die Seilwinden zu beiden Seiten und drehte kräftig an der Kurbel, die die Seile in Bewegung setzte. Das Fallgitter schob sich langsam und knarrend in die Höhe. Als es oben in der Halterung angelangt war, steckte Henri den dafür vorgesehenen Stab zwischen die Winde. Das Holztor selbst, das hinter dem Gitter lag, ließ sich leicht öffnen. Henri zog den schweren Eichenholzriegel, der die Tür versperrte, zur Seite. Dann stieß er das Tor auf.
    Auf der anderen Seite hielten die Bewohner von Quimper in ihren Kämpfen inne und starrten ihn ungläubig an. Uthman, Joshua und Sean kamen von beiden Seiten heran. Überall lagen Soldaten auf dem Boden, und auch einige Bewohner hatte es erwischt.
    »Dieses Tor ist geöffnet«, sagte Henri und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Auf dass das Leben in eure Stadt zurückkehre, ihr seid frei.«
    Einige Augenblicke lang herrschte ungläubige Stille, dann brach ein ohrenbetäubender Jubel aus. Die Menge reckte die Waffen, einige ganz ausgelassene Männer, die noch gut bei Kräften waren, vollführten Freudensprünge. So mancher klopfte Henri anerkennend auf die Schulter, eine junge Frau küsste ihn auf den Mund. Die Menge flutete an ihm vorbei. Die Menschen rannten hinaus auf die Felder, als wollten sie die Pest möglichst weit hinter sich lassen.
    Jetzt erst sah Henri, dass sich auch auf dem freien Feld vor der Stadt viele Menschen befanden. Sie kampierten in Zelten oder unter notdürftig aufgeschichtetem Astwerk. Sie warteten darauf, eingelassen zu werden oder die Freigelassenen in die Arme zu schließen.
    »So weit, so gut«, sagte Joshua. »Wir haben einen kleinen Schritt getan. Aber was ist mit der Pest?«
    »Sie ist noch lange nicht besiegt«, sagte Uthman.
     
     
    Bis zum Abend waren alle Stadttore geöffnet. Die Wachsoldaten ließen die Bewohner von Quimper ungehindert passieren, und die meisten Angehörigen waren, so die Seuche sie verschont hatte, wieder vereint.
    Die gelehrten Mediziner hegten allerdings Bedenken gegen die neue Freiheit in der Stadt. Einerseits sahen sie die Gefahr, dass sich die Pest nun auch im Umland von Quimper ausbreiten konnte, andererseits befürchteten sie, dass die von außerhalb kommenden Menschen neues Unheil in die Mauern brächten. Da sie immer noch nicht wussten, wie die

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