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Treue in Zeiten Der Pest

Treue in Zeiten Der Pest

Titel: Treue in Zeiten Der Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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den Verletzten hatten schwere Knochenbrüche erlitten, eine Frau schien sogar tot zu sein. Die Gefährten sahen ein, dass sie nichts mehr für sie tun konnten, und warteten auf die eintreffenden Ärzte.
    Als die ersehnte Hilfe nach einer Weile in Form von zwei Männern eintraf, die allerdings nicht von Sean, sondern von einigen anderen Quimperer Bürgern gerufen worden waren, war auch ein Mann gestorben, der von einem Armsessel getroffen worden war. Die Gefährten schilderten den herbeigeeilten Ärzten, was geschehen war.
    »Die da oben sind die wahre Pest!«, sagte daraufhin einer von ihnen. Wütend reckte er die Fäuste nach oben zu den Fenstern, von wo aus ein paar Soldaten ungerührt auf das Trümmerfeld blickten, das sie angerichtet hatten.
     
     
    Sean war so rasch er konnte quer durch die Stadt zum Spital gelaufen. Erst da hatte er, der zuvor nur Augen für das Leid seiner Angélique gehabt hatte, begriffen, was die Seuche in Quimper anrichtete. Unwillkürlich musste er stehen bleiben. Das Elend, das ihm in den Straßen begegnete, lähmte ihn.
    War es wahr, was er sah? Waren sie denn schon in der Hölle angekommen? Und war jede Flucht aus dieser Hölle unmöglich geworden?
    Sean lief weiter. Er hatte das Spital jetzt fast erreicht.
    Als er durch die Armenviertel kam, schlug ihm gähnende Leere entgegen. Von den Menschen, die hier im Sommer normalerweise vor den Häusern lebten und die Straßen bevölkerten, war nichts zu sehen. Alle Häuser waren geschlossen. Selbst Kinder konnte Sean nicht sehen.
    Plötzlich stürzte eine Frau aus einem der Häuser heraus. Sie rannte drei Schritte auf die Straße, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und stieß einen markerschütternden Schrei aus. Dann blieb sie einen Moment lang vornübergebeugt mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht stehen, bevor sie kehrtmachte und wieder in das Haus zurückging, aus dem sie gekommen war.
    Die Tiere, die man eigentlich hatte ausrotten wollen, hatten sich nun der Stadt bemächtigt. Hunde schnüffelten überall herum, an einer Stelle zerrten mehrere von ihnen an etwas, von dem Sean lieber nicht wissen wollte, was es war. Auch zahllose Katzen streunten umher. Und natürlich gab es immer noch Horden von Ratten, die von einem dunklen Loch zum nächsten huschten. Das ganze Geschehen wurde von Scharen von Kolkraben aus luftiger Höhe beobachtet.
    Sean hörte Stöhnen und Schreie. Er hielt sich die Ohren zu, doch die schrecklichen Geräusche verstummten nicht. Als er um die nächste Straßenecke bog, wurde das Elendsgebrüll sogar noch lauter, er hatte das Spital erreicht.
    Der völlig außer Atem geratene Junge betrat einen großen Flur. Schon hier begegneten ihm Tod und Verderben, und der beißende Geruch war kaum zu ertragen. Sean sah Pfleger in Pestkleidung und Ärzte, die hin und her liefen oder manchmal auch innehielten und erschöpft den Kopf senkten.
    Sean sprach einen der Ärzte an und bat um Hilfe. Die Stimme des Mannes tönte dumpf unter der Pestmaske, die er trug, hervor.
    »Verletzte? Darum können wir uns nicht kümmern. Hier geht es nur noch um Tote! Jeden Tag sterben mindestens fünfzig Menschen. Da bleibt keine Zeit für Knochenbrüche. Wenn sie im Sterben liegen, kümmern wir uns um sie.«
    Sean schnappte nach Luft. Er konnte nicht glauben, was er da soeben gehört hatte. So weit war es also schon gekommen!
    Doch der Knappe gab nicht auf. Er ging einfach weiter, hinein in einen der Krankensäle. Auch hier bot sich ihm ein Bild des Grauens. Den erstbesten Pfleger, der ihm über den Weg lief, hielt Sean fest. An der Weichheit des Oberarmes erkannte er, dass er es mit einer Frau zu tun hatte. Doch sie reagierte kaum anders als der Medicus. Auch ihr waren die Verletzten vor dem Rathaus gleichgültig.
    Sean wurde wütend. »Wer hilft denn noch?«, schrie er.
    Keiner der Anwesenden antwortete. Sie drehten sich nicht einmal zu ihm um oder zeigten auf andere Weise, dass sie ihn bemerkt hatten, sondern fuhren ungerührt mit der Arbeit fort, mit der sie gerade beschäftigt waren.
    Sean verließ das Spital. In den menschenleeren, stickigen Gassen erklangen wieder die Pestglocken. Sean musste einem Karren ausweichen, der von einem wild davonpreschenden Pferd gezogen, aber von keinem Kutscher gelenkt wurde. Als der Karren vorbei war, kläfften Hunde von irgendwoher, danach trat wieder Stille ein.
    In diesem Moment begriff Sean, dass er noch am Leben war und dass er von Glück reden konnte, den sommerlichen Geruch nach Blüten und dem Salz

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