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Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files

Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files

Titel: Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Brody
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Nachttisch. Und wenn ich sage »rannte«, dann meine ich das auch so. Ich warf meine Tasche aufs Sofa und düste durch den Korridor ins Schlafzimmer, wie Kinder nach draußen düsen, wenn sie den Eiswagen hören. Ich kniete mich hin, zog mit derselben freudigen Erregung, die man sonst nur an Weihnachten verspürt, die mit Samt ausgekleidete unterste Schublade auf und holte eine lackierte Holzschatulle heraus.

    Ich hielt sie einen Augenblick in den Händen, fuhr mit den Fingerspitzen über die glänzende Oberfläche.
    Dies war ein unvergesslicher Moment. Wie ein erster Kuss. Wie die friedliche Stille um drei Uhr morgens oder die saubere, noch warme Wäsche aus dem Trockner. Wie das Gefühl, das einen überkommt, wenn man das letzte Puzzleteil gelegt hat, sein Leibgericht auf der Tageskarte eines Restaurants findet oder wenn das Lied, das einem schon den ganzen Tag durch den Kopf geht, plötzlich im Radio gespielt wird. All das zusammen.
    Diese Schatulle enthält das Einzige, das mir heilig ist.
    Ich nahm den Schlüssel aus der Lade und schloss die Schatulle auf. Dies war einer der seltenen Momente, in denen ich sie nicht nur betrachtete.
    Diesmal würde ich ihrem Inhalt etwas hinzufügen.
    Ich entnahm der Schatulle einen schwarzen Füller und ein Blatt Papier.
    Meine Liste.
    Exakt neun Namen standen darauf. Ich fuhr mit dem Finger daran entlang, las ehrfürchtig einen nach dem anderen halblaut vor, legte dann die Liste auf den Deckel, öffnete den Füller und malte bedächtig den Namen Daniel Miller ans Ende der Liste.
    Daniel Miller war meine Nummer zehn.
    Der zehnte Grund, an die Liebe zu glauben, all dem zum Trotz, das auf der Welt geschieht.
    All den Tausenden von Gründen zum Trotz, es nicht zu tun.
    Perfektes Timing. Genau das hatte ich jetzt gebraucht.
    Der Füller hatte mich fünfhundert Dollar gekostet. Ich hatte ihn in einem dieser Nobelläden erstanden, in denen Firmenchefs Geschenke für wichtige Kunden und Belohnungen für ihre Angestellten kaufen. Nie im Leben hätte ich
mir träumen lassen, dass ich je einen Fuß in ein solches Geschäft setzen, geschweige denn fünfhundert Dollar für einen Füllfederhalter hinblättern würde. Aber ich fand, dass der stolze Preis der Bedeutung dieser Zeremonie angemessen war.
    Ich muss wohl nicht erwähnen, dass er noch ziemlich viel Tinte enthielt.
    Dieser Name würde mir nun bei meinem ewigen inneren Kampf zwischen Gut und Böse mindestens fünf Mal täglich durch den Kopf gehen. Ich schwelgte noch kurz in dem erhebenden Gefühl des Augenblicks, dann hopste ich ins Wohnzimmer, aufgeregt wie ein verliebtes Schulmädchen, entnahm meiner Handtasche die nicht benötigte schwarze Karte und betrachtete sie. Wäre ich tatsächlich ein verliebtes Schulmädchen, dann wäre diese Karte das Briefchen, das in der zweiten Stunde zu mir durchgereicht worden war.
    Ich ging in die Küche, öffnete den Mülleimer unter der Spüle, warf einen letzten Blick auf die Karte, ehe ich sie schweigend in winzige Teile zerriss und zusah, wie sie graziös in den Eimer rieselten. Ein kleiner schwarzer Schneesturm.
    Wie in Zeitlupe schneiten sie auf eine leere Cornflakes-Schachtel und eine Bananenschale.
    Genau da gehörten sie hin.
    Ich schloss den Mülleimer, kehrte ins Schlafzimmer zurück, schälte mich aus den Klamotten und schlüpfte in meinen rosaroten Pyjama von Victoria’s Secret. Die Seide fühlte sich herrlich an auf meiner Haut. Und ganz tief drin, unter meinen Ängsten und Sorgen, unter all dem anderen Müll, der sich im Laufe der Jahre in mir angesammelt hatte, fand ich die Welt um mich herum mit einem Mal ganz wunderbar.

22
    Zweiter Anlauf
    In meinem Erwachsenenleben gab es nur eine Handvoll Ereignisse, die eine regelrechte Euphorie bei mir ausgelöst haben. Ich erlebe diesen Zustand normalerweise nur an anderen Menschen, nicht am eigenen Leib.
    Doch an diesem Morgen konnte ich mit Fug und Recht von mir behaupten, dass ich … glücklich war. Welch seltene Freude.
    Daniel Miller hatte als erster Kandidat seit über zwei Monaten den Test bestanden, und das war ein Grund zum Feiern. Keine richtige Party mit Champagner und Papierschlangen natürlich. Eher eine im ganz kleinen Kreis. Eine gedankliche.
    Ich genehmigte mir eine große Schüssel Honey Loops und lümmelte mich damit aufs Sofa. Ich kam mir fast vor wie in einem Werbespot, wie ich so mit den Füßen auf dem Couchtisch mein ballaststoffreiches Knusperfrühstück verzehrte, während die Sonne durch meine weißen

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