Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
hatte.
Ich schluckte.
Das musste ein böser Traum sein.
Es konnte nicht wirklich geschehen.
Ich bildete mir das alles bloß ein.
Ich würde jetzt ins Wohnzimmer marschieren, alle Details noch einmal überprüfen, und dann würde Karen Howards unbeschwertes Lachen den Raum erfüllen, wenn sie hörte, was ich mir notiert hatte. »Sie haben Jamie Richards verstanden? Hahahaha, nein, nein, ich sagte Maley Pichards!«
Ja, genau das würde passieren.
Ich wischte mir einen Schweißtropfen von der Stirn und einen weiteren von der Oberlippe, dann knipste ich das Licht aus und begab mich hoch erhobenen Hauptes wieder ins Wohnzimmer, um diese dumme Verwechslung auszuräumen.
Doch während ich leise meinen Platz wieder einnahm, wurde mir klar, dass von unbeschwertem Lachen keine Rede sein konnte. Meine Auftraggeberin musterte mich verwundert
und fragte sich offenbar, ob ich immer aus dem Zimmer rannte, sobald der Name des Ehemannes gefallen war. Schließlich hatte sie noch nie mit einer Treuetesterin zu tun gehabt.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte sie argwöhnisch.
Ich versuchte, zu lächeln. »Ja, alles bestens. Bitte entschuldigen Sie die Unterbrechung.«
Karen seufzte. »Gut. Nun, ich wollte gerade sagen, dass Jamie sehr viel arbeitet.« Ihre Betonung ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, dass dies ihrer Meinung nach ein Problem in ihrer Ehe darstellte.
In ihrer Ehe! Es war also doch kein böser Traum! Ich konnte es nicht glauben. Jamie Richards … dieser liebenswerte, zuvorkommende, charmante Mann, der mich gebeten hatte, ihn nach Paris zu begleiten, war verheiratet! Verheiratet, sprich, »Bis dass der Tod uns scheidet«, oder eher »Bis ich irgendeine beschränkte Tussi in einem Flugzeug kennenlerne, die dumm genug ist, zu glauben, dass ich Single bin«.
Ich ließ mir jede Unterhaltung, die wir je geführt hatten, jede seiner Bewegungen durch den Kopf gehen, versuchte verzweifelt, die durcheinanderwirbelnden Erinnerungen in Zeitlupe ablaufen zu lassen auf der Suche nach Hinweisen. Nach einem hellen Streifen, den Sonnenlicht und Ehering hinterlassen haben könnten, nach einem versehentlich geäußerten »wir«, nach nervösem Stottern, wenn es um das Thema heiraten ging. Hatte ich etwas übersehen? Nein. Es hatte keine Hinweise gegeben. Nichts.
Außer …
Plötzlich fiel mir wieder ein, wie wir uns nach unserem zweiten Date vor meiner Tür verabschiedet hatten. »Ich mag dich sehr, Jen. Aber ich finde, wir sollten es langsam angehen … Ich möchte nichts überstürzen.«
Das war der Grund, weshalb er nicht mit mir ins Bett wollte?
Weil er verheiratet war? Und ich hatte die ganze Zeit gedacht, er wäre einfach nur nett. Rücksichtsvoll. Aufrichtig. Tatsächlich war es der Code gewesen für »Ich bin eigentlich verheiratet und will nicht richtig fremdgehen, sondern nur so halb. Es reicht mir, wenn wir ein bisschen knutschen«.
Er hatte mich nach Paris eingeladen, verdammt noch mal!
Doch warum die Zurückhaltung? Wenn schon, denn schon! Wozu es unnötig hinauszögern, halbe Sachen machen?
»Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht?« Karens Stimme riss mich aus meiner Trance, und da erst bemerkte ich, dass ich den Kopf schief gelegt hatte und mein Mund halb offen stand.
Ich schloss hastig den Mund und setzte mich gerade hin. »Ja. Verzeihung. Was sagten Sie gerade?«
Sie musterte mich skeptisch, kehrte dann jedoch zum Thema zurück. »Ich sagte, dass mein Mann viel arbeitet und oft auf Geschäftsreisen geht. Ich frage mich, was er da so treibt. Ich habe Angst, er könnte … Sie wissen schon.«
Oh, ja. Und wie! Am liebsten hätte ich auf der Stelle lauthals kundgetan, wie gut ich über die Geschäftsreisen ihres Mannes informiert war. Doch ich nickte nur.
»Kommende Woche fliegt er nach Paris«, fuhr sie fort. »Ich weiß ja nicht, ob das für Sie geographisch noch im Rahmen des Möglichen liegt, aber ich dachte, das wäre vielleicht eine gute Gelegenheit, um …« Sie schluckte. »… ihn zu testen … oder was auch immer Sie genau machen.«
»Ja!«, stieß ich so laut hervor, dass sie zusammenzuckte. Ich räusperte mich. »Ich wollte sagen, ja, das wäre in der Tat eine sehr gute Gelegenheit, Ihren Mann zu testen.«
Wenn das nicht der ultimative letzte Auftrag war, was dann? Ein ganz gewöhnlicher Auftrag war es ja von vornherein nicht gewesen, aber jetzt war ich unversehens persönlich in den Fall verwickelt. Von einer Sekunde auf die andere saß
in diesem Wohnzimmer nicht mehr Ashlyn …
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