Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
meistens auf einem persönlichen Gespräch, damit ich mir ein besseres Bild machen kann, sowohl vom Auftraggeber als auch vom Auftrag.
Nach dem Meeting mit Anne Jacobs fuhr ich deshalb zurück nach Los Angeles, wo ich mit Roger Ireland in seinem Büro in Century City verabredet war. Ich parkte vor dem zwanzigstöckigen Gebäude in der Avenue of the Stars und nahm den Aufzug in die zehnte Etage. ANWALTSKANZLEI IRELAND, HAMMERL & WELCH stand dort auf einem Schild.
Die Empfangsdame lächelte freundlich, als sie den Namen Ashlyn hörte, und führte mich schnurstracks in das Büro meines Klienten.
Roger Ireland war ein sympathischer älterer Herr mit grauem Haar und müden Augen, vermutlich Ende fünfzig, Anfang sechzig. In seinem Eckbüro stapelten sich braune Umzugskartons zwischen dunklem Holzmobiliar. »Ich gehe in ein paar Wochen in Rente«, verkündete er, nachdem er mir die Hand geschüttelt hatte, und deutete auf das Durcheinander, das ihn umgab.
Ich lächelte. »Meinen Glückwunsch.«
Wir nahmen auf einer schokoladebraunen Ledergarnitur am Fenster Platz. Ich holte meine schwarze Louis-Vuitton-Mappe hervor und schlug eine leere Seite auf.
»Wenn Sie nichts dagegen haben, stelle ich Ihnen zunächst einige Fragen, damit ich entscheiden kann, ob ich Ihren Auftrag annehme oder nicht.«
Er nickte, sichtlich erleichtert darüber, dass ich das Gespräch eröffnet hatte. Bestimmt hatte er sich schon den Kopf darüber zerbrochen, wie er die Unterhaltung anleiern sollte. »Sie werden also versuchen, mit meinem Schwiegersohn in spe zu schlafen?«
Ich stellte ihm zunächst die üblichen einleitenden Fragen – Name, Beruf, Hobbys und, sofern bekannt, Vorlieben der zu testenden Person.
Der Verlobte seiner Tochter hieß Parker Colman und arbeitete als Risikomanagementberater für LDS Securities. Er hatte Lauren Ireland vor etwa neun Monaten einen Antrag gemacht, und die aufwändige Hochzeit (einhunderttausend Dollar Budget!) sollte in vier Wochen über die Bühne gehen. Die Junggesellenparty war für das kommende Wochenende anberaumt und würde in Las Vegas stattfinden. Wo sonst. Seit ich angefangen hatte, als Treuetesterin zu arbeiten, war ich schon mindestens zwanzig Mal dort gewesen.
Soweit Mr. Ireland informiert war, mochte Parker Basketball, Poker, Barbecues, Besäufnisse – und, jedenfalls vermutete er das – Frauen.
»Wie steht denn Ihre Tochter zum Junggesellenabschied?«, erkundigte ich mich.
»Was meinen Sie?«
»Nun, das Thema ist nicht ganz unproblematisch«, erklärte ich. »Manche Frauen sehen die Sache eher locker … die letzte Chance für ihren Zukünftigen, sich die Hörner abzustoßen... frei nach dem Motto ›Was ich nicht weiß …‹. Könnte das auf Lauren zutreffen?«
Roger schüttelte den Kopf. »Oh, nein. Ich weiß, dass sie ein ziemliches Aufhebens darum gemacht hat. Meine Frau meinte, Lauren hätte nur eingewilligt, weil Parker versprochen hat, nicht in einen Strip Club zu gehen. Und natürlich auch nicht mit anderen Mädchen... zusammen zu sein.«
»Okay, in diesem Fall dürfte die Junggesellenparty die beste Gelegenheit sein, um den Test durchzuführen«, stellte ich fest und machte eine entsprechende Notiz in meiner Mappe.
Roger nickte zustimmend. Meine Kunden haben selten Einwände gegen meine Vorgehensweise. Beim Arzt erhebt man ja auch keinen Einspruch, wenn er einem ein Medikament verschreibt, sondern verlässt sich darauf, dass er weiß, was er tut. So nach dem Motto »Ja, ja, schon gut, tun Sie einfach Ihre Arbeit, damit es aufhört zu jucken«.
»Spielt Ihre Tochter Poker?«, fragte ich.
»Nein, jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Die Irelands sind eigentlich alle keine Spieler.«
Ich notierte mir auch das. Dann hob ich den Kopf. »Wie sieht es mit Laurens Selbstvertrauen aus? Ist sie schüchtern oder eher der selbstbewusste Typ Frau?«
Mr. Ireland überlegte. Ich wusste es zu schätzen, dass er meine Fragen so ernst nahm. Andererseits kein Wunder bei dem erklecklichen Sümmchen, das er für meine Dienste hinblätterte. »Also, in Bezug auf ihre Arbeit durchaus selbstbewusst. Lauren ist technische Leiterin bei East Global Tech«, verriet er mir, von väterlichem Stolz erfüllt. Er konnte nicht verleugnen, wie viel ihm seine Tochter bedeutete. »Sie hat ihr Studium am Massachusetts Institute of Technology mit Auszeichnung abgeschlossen. Hat sich seit jeher mehr für technische Geräte interessiert als für Puppen oder Plüschtiere. Alles wollte sie
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