Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
einmal tief durch und öffnete die Tür.
Andrew Thompson saß mit großer Wahrscheinlichkeit
längst vor dem Fernseher in der Hotelbar, wo gerade ein College-Football-Spiel lief, von denen er seiner Frau zufolge keines verpasste, wenn sich das Team seiner Alma Mater die Ehre gab.
Heute Abend musste es Michigan mit den Mannen der University of California aufnehmen. Und wie es der Zufall wollte, war Michigan nicht nur Andrews Lieblingsmannschaft, sondern auch Ashlyns.
Die musste heute einen »großen Auftritt« hinlegen, denn ich hatte diesmal nicht die Möglichkeit, aus dem Hinterhalt nach der Zielperson Ausschau zu halten. Ich musste mich darauf verlassen, dass Emily Thompson mit ihren Vermutungen bezüglich der Abendaktivitäten ihres Mannes richtig lag, sonst würde ich meine Scharade an ein Häufchen angesäuselter, übergewichtiger College-Football-Fans verschwenden.
Auf dem Weg durch die Lobby drangen bereits gedämpfte Jubelschreie an mein Ohr. Sobald ich den Eingang zur Hotelbar erspäht hatte, beschleunigte ich meine Schritte. Meinen Rollkoffer hinter mir herzerrend, drängte ich mich hastig zwischen den zahlreichen Gästen in der Lobby hindurch und platzte schließlich atemlos in die Bar.
Dort angekommen wischte ich mir mit dem Handrücken über die Stirn. »Was hab ich verpasst? Wie steht’s?«, keuchte ich.
Die fünf anwesenden Männer, die alle gebannt auf die Mattscheibe gestarrt hatten, wandten synchron die Köpfe und glotzten mich an. Bingo. Mein großer Auftritt war ein voller Erfolg.
Ich erspähte Andrew Thompson am Ende des Tresens und neben ihm, oh Glückes Geschick, einen leeren Barhocker, den ich umgehend ansteuerte, die Augen auf den Bildschirm geheftet. Ohne das Testobjekt auch nur eines Blickes zu würdigen,
stellte ich meinen Koffer ab und legte die Handtasche auf die Bar.
»Hallo«, murmelte ich reserviert, lächelte flüchtig, nahm neben Andrew Platz und wandte meine Aufmerksamkeit gleich wieder dem Spiel zu, während er mich unauffällig von oben bis unten musterte.
»Es steht dreizehn zu null für USC«, sagte er, als er endlich aus seiner Trance erwacht war.
»Verdammt!«, fluchte ich und schüttelte missbilligend den Kopf. »Ich wusste es. Smith hat seine Verletzung unterschätzt. Sie hätten Wilde aufstellen sollen.«
Das musste er erst einmal verdauen. Er wusste genauso gut wie ich, dass ich recht hatte. Ein Hoch auf das Internet.
Ich verfolgte aus dem Augenwinkel, wie er kurz alles andere völlig vergaß und mich verblüfft anstierte, als könnte er nicht glauben, dass Frauen wie ich überhaupt existierten. Geschweige denn, dass sie sich neben ihn an die Bar setzten. So etwas passierte doch bloß in seinen wildesten Träumen.
Ich konzentrierte mich weiterhin auf das Spiel, bestellte beim Barkeeper ein Bier, ohne den Blick vom Bildschirm zu lösen.
Um Punkt Viertel nach sieben ertönte wie geplant der Alarm meines Telefons. Für einen Außenstehenden (sprich, für Andrew Thompson) klang er allerdings wie ein normaler Klingelton. Ich fischte den Störenfried blindlings aus der Handtasche, hielt ihn mir ans Ohr und knurrte: »Ja, ich hab’s gesehen.« Keine Begrüßung, kein Blick auf das Display, als wüsste ich genau, wer dran war.
Als wäre es ganz normal, dass ich während eines Michigan-Spieles angerufen werde. Von einem Bekannten, der unbedingt einen Kommentar dazu vom Stapel lassen muss.
Ich tat, als würde ich angestrengt lauschen. »Hab ich’s nicht gesagt? Dieser dämliche Grady ist absolut unfähig.«
Schweigend starrte ich zum Fernseher. »Ach was«, widersprach ich dem imaginären Anrufer. »Der Kerl ist ein blutiger Anfänger. Was hast du erwartet? Vierhundertsechsundsechzig Yards in einer Saison, das ist weiß Gott keine Statistik, mit der man hausieren gehen kann.«
Andrew gluckste in sich hinein. Ich schenkte ihm ein wissendes Lächeln, als wären wir uns einig, dass jeder, der Vertrauen in einen Spieler wie Grady setzte (wer auch immer dieser Grady sein mochte), absolut null Durchblick hatte.
Er grinste verschwörerisch. Na also. Meine Recherche hatte sich ausgezahlt.
»Hör zu, ich melde mich morgen, ja?« Ich tat, als würde ich der Antwort lauschen, dann fügte ich rasch hinzu: »Okay, meinetwegen. Ciao.«
Ich knallte das Telefon mit einem frustrierten Grunzen auf den Tresen und murmelte »Verdammter Loser«.
In der nun folgenden Werbepause ergriff ich mein Bier, als hätte ich eben erst bemerkt, dass es vor mir stand, und nahm einen großen
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