Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
Schluck. »Mann, was für ein Tag.«
»Lass mich raten: Du warst auch auf der Michigan«, bemerkte Andrew und sah mich aufmerksam an.
Ich drehte mich grinsend zu ihm um. »Da kannst du Gift drauf nehmen.«
»Jahrgang fünfundachtzig«, verkündete er stolz.
»Neunundneunzig«, konterte ich.
»Autsch. Jetzt fühl’ ich mich alt.«
Ich legte den Kopf schief, als würde ich ihn eingehend betrachten und zuckte dann die Schultern. »Hast dich aber gut gehalten«, stellte ich fest.
»Danke. Du bist Flugbegleiterin?«
Ich beäugte ihn skeptisch. »Nö, ich trage dieses Outfit bloß, um mich an Kerle ranzumachen.«
Heute Abend machte ich auf freche – und faszinierende –
Göre. Und wie es schien, hatte ich mit meiner Analyse den Nagel auf den Kopf getroffen.
Andrew lachte und beeilte sich, mir ein zweites Bier zu bestellen, sobald ich mein Glas geleert hatte.
»Ein Mädel, das auf Football steht und ordentlich bechert, das gefällt mir.«
»Wenn alle Frauen so freundlich zu den Idioten sein müssten, mit denen ich es tagtäglich zu tun habe, dann würden sie literweise Bier saufen.«
Er lachte erneut. »So schlimm?«
»Und wie. Zum Kotzen.«
Der Barkeeper brachte mir mein Bier, und Andrew prostete mir zu, als könnten wir damit das schwere Schicksal der Michigan Wolverines abwenden. Perfektes Timing – die Werbepause war beendet.
Zwei Stunden später waren Andrew und ich sternhagelvoll. Besser gesagt, Andrew und Ashlyn waren sternhagelvoll. Ich achte sehr darauf, bei klarem Verstand zu bleiben, wenn ich im Dienst bin. Zu diesem Zweck habe ich meinen Körper in den vergangenen zwei Jahren bewusst an den Konsum immer größerer Alkoholmengen gewöhnt. Alkohol verwirrt die Sinne und verführt zu Dummheiten. Fünfundsiebzig Prozent der Männer, die beim Treuetest versagt haben, waren zumindest leicht alkoholisiert. Nun sind vielleicht einige der Ansicht, in diesem Fall sei der Test ungültig. Meine offizielle Meinung dazu lautet: Es ist ganz und gar meinem Auftraggeber überlassen, wie er diese Frage handhabt. Meine private, persönliche Meinung, die ich nie im Leben laut aussprechen würde, lautet: Gültigkeit hin oder her, Alkohol ist ein Bestandteil des täglichen Lebens. Wer unter Alkoholeinfluss fremdgeht, der sollte entweder die Finger vom Alkohol lassen oder erst gar nicht heiraten.
Aber das ist bloß meine bescheidene Meinung, und die behalte ich tunlichst für mich.
Andrew und ich hatten uns nach dem verlorenen Spiel an einen Tisch in der Ecke zurückgezogen, wo wir einander nun gegenseitig Trost zusprachen und unsere bittere Enttäuschung hinunterspülten.
»Immerhin ist es weniger peinlich, gegen den ungeschlagenen Favoriten zu verlieren als gegen einen totalen Niemand«, sagte ich und ließ in einer Mischung aus Trunkenheit und Frust den Kopf hängen.
Andrew kippte sich entschlossen den Rest seines Bieres in die Kehle und knallte das leere Glas auf den Tisch. Dann beugte er sich zu mir und sah mir tief in die Augen. »Haddir schomal jemand gesagt, wie heiß du bist?«, lallte er.
»Okay, kein Bier mehr für den hier!«, brüllte ich quer durch die mittlerweile leere Bar, wobei ich mit dem Arm wedelte und auf Andrew deutete.
Er ergriff meine Hand und hielt sie fest. »Jess mal im Ernst. Du hass keine Ahnung, oder?«
Ich spielte weiter meine Rolle, tat sein Kompliment ab, als wäre es absolut lächerlich. »Ach, nun hör schon auf, du hörst dich ja an wie ein Jammerlappen.«
Ich konnte den Ehering an seinem Ringfinger spüren. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, ihn abzunehmen. Besser gesagt, er hatte es komplett vergessen. Das ließ darauf schließen, dass er ein Anfänger war, kein erfahrener Betrüger wie Raymond Jacobs, der seinen Ehering mit derselben Selbstverständlichkeit an- und auszog wie andere Leute ihre Flipflops.
Nicht, dass das einen Unterschied machen würde. Anfänger, alte Hasen, Profis – nach dem Test sind sie für mich alle gleich.
Es steht mir ohnehin nicht zu, über sie zu urteilen. Falls
sich die betrogene Frau oder Freundin dazu durchringt, ihm zu verzeihen, weil es zum allerersten Mal vorgekommen ist und er seine Lektion gelernt hat, dann ist das ganz allein ihre Sache. Ich liefere lediglich die erwünschte Information, aber keine Anleitung zum Umgang damit.
»Wäre es sehr merkwürdig, wenn ich fragen würde, ob ich dich küssen darf?«, sagte Andrew plötzlich ernst.
Ich tat, als würde ich überlegen, einen Zeigefinger ans Kinn gedrückt.
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