Trias
andererseits verdiente er gutes Geld und schob vor die Furcht die Hoffnung, dass er ohne Schaden aus dieser heißen Sache herauskäme.
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Washington D.C., gleicher Tag, vormittags
MSS-Agentin Ling Yu hatte etwa drei Wochen gebraucht, bis sie alle Termine von Senator Gordon Smith kannte. Informanten im Kapitol zu installieren, war für keinen Geheimdienst leicht. Die Ängste vor Enttarnung waren aus gutem Grunde groß. Zu tief saßen bei den meisten Senatoren, Abgeordneten, Referenten und Sekretärinnen das Misstrauen und die Eindrücke der Schauprozesse, die in den USA nach dem Fall der Mauer mit enttarnten amerikanischen Sowjetagenten veranstaltet worden waren. Die Strafmaße blieben selten unter fünfzehn Jahren, ihr Ziel hieß meist Hochsicherheitsgefängnis St. Quentin.
Und doch hatte Ling Yu es geschafft, die engste Sekretärin des Senators über das Telefon einer Journalistin anzuzapfen.
Wie auch der BND in Deutschland verfügte der chinesische Geheimdienst über Stammdaten von Journalisten, die zumeist ohne deren Mitwissen missbraucht wurden. Telefonmitschnitte, Beschattungen und vom Geheimdienst umgedrehte Freunde der Redakteure gehörten mit zu den Datenströmen der Geheimen, aus denen sich Puzzles über bestimmte Personen oder politische Sachverhalte zusammenbauen ließen.
Die Washington Post -Journalistin Sarah Sanders war so ein Fall. Spätestens mit den ersten Veröffentlichungen über die Attentate in Europa und ihre Spitzfindigkeit bei der Beschreibung von möglichen Spuren nach Washington geriet die Journalistin ins Fadenkreuz der Chinesen. Als nächsten Coup plante sie ein Interview mit Senator Smith zu den Morden in Europa. Immerhin würde sie nach dem sensationellen Auflagenzuwachs der linksliberalen Post in den letzten zwei Jahren mehr als 1,5 Millionen Leser erreichen.
Ähnlich den Geheimdiensten schöpfen große Zeitungs-, Fernseh- und Onlineredaktionen ihre Informationen nur zu gern von engen Mitarbeitern in den politischen Machtzentralen ab. So eine Informantin war die langjährige Sekretärin von Gordon Smith. Während die Journalistin Sanders so immer bestens über interne Vorgänge im Kapitol informiert war, erfuhr die Smith-Vertraute aus erster Hand von Sanders, wie man bei der gedruckten und der Onlineausgabe der Washington Post über bestimmte Personen in Senat und Repräsentantenhaus dachte und welche Richtungen Leitartikel oder andere Kommentare nehmen würden.
Auf Grund dieser Informationen kam Senator Gordon Smith einer möglichen Verurteilung durch die Presse meist zuvor und stimmte im Bedarfsfall seine Entscheidungen darauf ab. Dieses Rezept bewährte sich bis heute; er hielt sich länger als viele andere Politiker im bedeutendsten amerikanischen Gremium und war noch nie über eigene Fehler gestolpert.
Seine bislang makellose politische Arbeit hatte US-Präsidentin Nancy Wood mit der delikaten Aufgabe belohnt, auf Seiten der US-Administration den Geheimvertrag Trias mit Russland und Deutschland auszuhandeln.
Ling Yu hatte schon vor einigen Tagen Paul Hess dazu beglückwünscht, dass sein Dienst mit Katja Kirchner eine offensichtlich gut informierte Journalistin neutralisiert hatte; sie allerdings würde Sarah Sanders nicht unter Zwang als Quelle verpflichten, sondern die Post -Journalistin ohne deren Wissen abschöpfen.
Um ein Zeitfenster für ein Interview zu finden, ging die Post-Journalistin am Telefon mit der Smith-Vertrauten die Termine des Senators durch.
Schon seit mehreren Tagen hockten chinesische Agenten mit einer winzigen Empfängerschüssel, einer darauf montierten kurzen Antenne und einem Empfänger auf dem Dach gegenüber dem Redaktionsgebäude der größten amerikanischen Zeitung. Sanders’ Mobilfunknummer herauszufinden war leicht; ihr Telefon anzupeilen noch leichter.
Die Termine des Senators gelangten so über eine verschlüsselte Leitung direkt aus Washington in die zentrale Residentur des chinesischen Geheimdienstes nach New York.
Nach kurzer Überlegung erschien Ling Yu ein Zahnarzttermin als sicherster Zeitpunkt und Erfolg versprechendes Umfeld für einen geräuschlosen Abgang des letzten Unterhändlers von Trias.
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Washington, D. C. Vorort Alexandria, 11:00 Uhr
Als Dentist war Dr. Warren Weizman nie bereit gewesen, seine eher bescheidene Zahnarztpraxis im Washingtoner Stadtteil Alexandria gegen ein Ärztehaus mit mehr als zwei Behandlungsräumen in Washington zu tauschen. Solch ein Wechsel erschien dem beinahe 60-Jährigen zu unsicher;
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