Trias
es den chemisch angetriebenen Satelliten stark in seiner Lebensdauer beschränkte; doch je niedriger die Erdumlaufbahn, umso höher die Auflösung der Kamerabilder, die gerade gestochen scharf in das Lagezentrum einliefen und sich nur mit einer winzigen Verzögerung auf den hochauflösenden Bildschirmen verteilten.
»Gleich wird der Konvoi die tschechische Grenze erreichen«, ließ sich Talo vernehmen. »Er wird durchgewunken werden, wie verabredet.« Der CIA-Mann trug ein weißes Hemd mit einer Krawatte, die er jetzt löste und ihren Knoten weit nach unten zog. Sein krauses schwarzes Haar glänzte feucht.
Alle Beteiligten sahen gespannt auf die Bilder. Doch kaum hatte das erste Fahrzeug gestoppt, fuhr es auch schon wieder an. Der ganze Konvoi passierte die Grenze in weniger als zwei Minuten.
CIA-Agent Talo sah triumphierend auf Kaltenborn. »Auf unsere Truppen ist Verlass.«
Kaltenborn lächelte steif. Er mochte das übertriebene Selbstbewusstsein der Amerikaner bei militärischen Einsätzen nicht.
»Sir!«, rief aufgeregt einer der Beobachter vor seinem Bildschirm. »Sehen Sie … Wenn wir näher heranzoomen, ist statt des Kontrollpunkts nur eine brache Fläche zu erkennen. Keine Baracken, keine Dächer, nichts.«
Der Triumph wich aus Talos Gesicht. Fragend sah er zu Kaltenborn.
»Gehen Sie nochmals zurück mit den Bildern. Ich will mir das genauer ansehen.«
Und tatsächlich. Das Gelände sah aus, als habe hier nie etwas gestanden. Ödland, Krater, zersprungene Steine. Kaltenborn griff zum Telefon.
»Geben Sie mir fix Chris Becker«, rasselte er ins Telefon und starrte weiter auf die Monitorwand. Seine grauen Augen waren eine Nuance dunkler geworden.
»Chris«, sagte er zu seinem Prager Residenten, »zapfen Sie doch mal den tschechischen FBI-Verbindungsmann an, ob in Makov an der Grenze zur Slowakei alles in Ordnung ist. - Ja, ja, es ist dringend. Rufen Sie schnell zurück.«
Nur Minuten später erreichte Beckers Rückruf das Berliner Terrorabwehrzentrum. Kaltenborns Miene verfinsterte sich, während er zuhörte. Als er wieder aufgelegt hatte, sagte er in die Runde: »Vor nicht ganz dreißig Minuten wurde der Kontrollpunkt samt Personal über den Haufen geschossen. Vermutlich hat niemand überlebt. Jetzt haben wir all die Aufmerksamkeit, die wir nicht wollten. Ich vermute, dass der Regierungssitz auf der Prager Burg in heller Aufregung ist.«
Talo griff an Kaltenborns Arm.
»Es ist zwei Uhr morgens. Ich bin sicher, die Tschechen haben nur ein paar Wachleute vor dem Präsidentenzimmer sitzen. Und außerdem: Solange die nicht den Konvoi mit dem Attentat in Verbindung bringen, ist alles gut.«
»Und wenn doch?«, fragte Kaltenborn besorgt zurück und wusste sogleich, dass dies eine unnötige Frage war.
»Dann rauchen hier bald die Leitungen«, antwortete Talo erwartungsgemäß. »Steve«, wandte er sich an einen Mitarbeiter, »ich brauche eine Verbindung zum Stabschef des Weißen Hauses.« Der nickte. Talo hatte seine Leitung innerhalb von wenigen Minuten. »Sir«, sagte er in beschwörendem Ton, »kennen Sie die neuesten Entwicklungen?«
»Ja, das FBI hat mich soeben aus Prag informiert.«
»Gut«, sagte der CIA-Agent. »Um die Kolonne mit dem Sprengstoff zu zerstören, bevor die Chinesen in der Ukraine an den Stoff kommen, brauchen wir Gewissheit, was Prag derzeit plant. Wir können Verfolgungsjagden und Hubschraubereinsätze der Tschechen nicht gebrauchen. Und schon gar nicht deren Erkenntnis, dass es ihr eigener Sprengstoff ist, der da durch die Slowakei schaukelt.«
»Was schlagen Sie vor, Talo?«
»Telefonieren Sie mit der Kanzlei von Präsident Mokry und finden Sie heraus, in welche Richtung die Vermutungen der Tschechen laufen. Sollten die an den Konvoi keine Gedanken verschwenden, wären wir fein raus. Andererseits sollten Sie sich etwas einfallen lassen, um uns freie Schusslinie zu gewähren.«
Der Stabschef stöhnte in den Hörer. »In welchen Zeiten wir leben.« Er legte auf.
Im Lagezentrum war es stiller als je zuvor. Mit angespannten Gesichtern beobachteten alle Beteiligten, wie sich die LKW-Kolonne auf den Bildschirmen Zentimeter für Zentimeter in Richtung Uschhorod vorarbeitete. Mittlerweile war es vier Uhr geworden. Inzwischen war auch Markus Croy im Lagezentrum eingetroffen. Seine schmerzhafte Kopfverletzung empfand er zwar als ein Handicap, aber nach dem Debakel in Semtin wollte er sich das Schauspiel und den zu erwartenden Triumph der Operation nicht entgehen lassen.
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