Trias
die Barrikade an. Dann ergriff er den Telefonhörer und legte ihn auf den Tisch. Ein Besetztzeichen, so Strachows Kalkül, ließ eher auf lebende Wachmänner schließen, als wenn permanent niemand ans Telefon ging. Sein Blick fiel auf einen Stapel wärmender Decken. Der Agent breitete sie über die beiden Toten aus und sprintete den sechshundert Meter langen Transportweg zurück ins Dunkel des Schachts.
Noch außer Atem gab er den Fahrern das Startkommando. Die Lastwagen rollten nacheinander aus dem unterirdischen Stollen ins Freie hinaus. Sein Schlund öffnete sich hinter dem Werk und mündete auf einen schmalen Asphaltweg, der zur E52 und damit direkt zur Grenze in die Slowakei führte. Auf den LKW-Planen war lediglich das Logo der Spedition zu sehen.
Als der letzte Sattelschlepper in einer Wolke aus Staub verschwunden war, sprang Strachow zurück in den Paternoster. Croy lag noch immer besinnungslos dort, wo er ihn niedergeschlagen hatte. Ein winziges Rinnsal aus Blut zog sich von dessen Hinterkopf den Hals entlang auf seine Schulter. Strachow beugte sich über ihn, grinste dabei abfällig und sagte zu dem regungslosen Ermittler: »Du musst noch sehr viel lernen, Kleiner.« Er fuhr sich mit der Hand über den kurz geschorenen, schweißnassen Kopf. Jetzt, wo der Zopf ab war, sah er nicht mehr aus wie ein alerter Ganove. Eher wie ein serbischer Terrorist.
Er verließ das Gebäude, startete seinen Wagen und rollte langsam vom Hof. Der Wachschutz an der Schranke salutierte freundlich. Es kam nicht jeden Tag ein französischer Diplomat in die Sprengstofffabrik.
Markus Croy brauchte lange, um endgültig aus seinem Dämmerzustand zu erwachen. Zwar hatte er sehr weit entfernt eine Stimme wahrgenommen und sogar verstanden, was sie sagte, doch seine Reflexe waren noch zu betäubt gewesen, als dass er hätte darauf reagieren können. Als er endlich in der Lage war, sich zu erheben, fühlte sich sein Kopf an, als stecke er in einer Schraubzwinge.
Er orientierte sich nur mühsam und versuchte sich an den Hergang seines Niederschlags zu erinnern. Ein Blick auf seine Armbanduhr sagte ihm, dass er beinahe eine Stunde so dagelegen haben musste. Als ihm endlich wieder bewusst war, zu welchem Zweck er hier war, schoss ihm eine hohe Dosis Adrenalin durch den Körper. Unvorsichtig riss er die Eisentür zu den Stollen auf, sprang in den Paternoster und glitt langsam in die Tiefe. Unten angelangt, starrte er fassungslos auf die leeren Regale. Einzig die frischen Reifenspuren der Sattelschlepper machten ihm blitzschnell klar, was hier passiert war. Er tastete nach seiner Wunde. Seine Hände waren verklebt.
Auch Helden haben schlechte Tage, dachte er zerknirscht, doch besser fühlte er sich von dieser Erkenntnis nicht. Er zuckelte wieder ans Tageslicht, fahndete kurz nach seiner Waffentasche, ergriff sie. Croy atmete durch. Er schwankte leicht durch den Korridor am Wachposten der Lagerhalle vorbei, wunderte sich kurz, dass die Monitore abgeschaltet waren und der Mann nicht auf seinem Platz saß.
Zurück in seinem Wagen wählte er die Nummer von Konrad Kaltenborn in Berlin. Als er ihn am Apparat hatte, schilderte Croy etwas atemlos und unter Schmerzen, was sich zugetragen hatte.
Der Ermittlungsführer reagierte mit einer Mischung aus Erstaunen, Grimm und Besorgnis.
»Sie können von Glück reden, dass Sie noch leben.« »Es war von Anfang an der Wurm drin«, knurrte er. »Vielleicht hätte ich sehr viel früher starten und nicht auf Ihren Rat hin abwarten sollen.«
Kaltenborn ging darauf nicht ein.
»Wir werden den Konvoi zerstören«, sagte er stattdessen entschlossen. »Unsere Taskforce verfolgt die Kolonne bereits über Satellit. Wir werden ihn aufreiben, wo das Aufsehen am geringsten ist.«
»Sie alle, einschließlich CIA, wussten davon? Und ich riskiere hier meinen Hintern?« Croy war außer sich. Hatte er deshalb erst am Freitag nach Semtin fahren sollen? War er zu einem Spielball geworden?
»Beruhigen Sie sich, Markus, und kommen Sie nach Berlin zurück. Ich glaube, die dicken Bretter bohren wir inzwischen nicht mehr in Tschechien, sondern hier. Ich erwarte Sie morgen zu Dienstbeginn.«
Croy bestätigte zwar, aber er war wütend und gekränkt. Es war schließlich sein Plan gewesen, auch wenn er misslungen war. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er der Sprengstofffabrik sehr viel früher einen Besuch abgestattet. Aber darüber jetzt nachzudenken war müßig, ja irrational. Croy fühlte sich nicht ernst genommen und
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