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Trias

Titel: Trias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Kayser
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dafür …« Emma war wieder den Tränen nah, ihre Stimme war kurz davor zu kippen. »Irgendwann danach muss es passiert sein …«
     
    Katja legte ihr den Arm um die Schultern und wiegte sie wie ein kleines Kind.
    Emma hatte die zweite Flasche geöffnet, ihr viertes Glas geleert, ihre siebte Zigarette geraucht und sah nun deutlich verändert aus. Die Blässe ihres Teints war einem leuchtenden Rot gewichen. Ihre Augen waren angeschwollen und die Netzhaut von den Tränen ebenfalls stark gerötet.
    »Alles, was ich dir jetzt erzähle, ist top secret …«
    Emma hatte ihre Stimme wieder unter Kontrolle, auch wenn sie immer noch traurig klang und ihr die Worte eher lahm von den Lippen gingen.
    Katja nickte rasch, ihre Augen brannten vor Neugier. Etwas zu erfahren, was andere nicht wussten, war schließlich berufliches Credo.
    »Stefan hatte seinen gesamten E-Mail-Verkehr zur Visa-Affäre ausgedruckt und in einem Ordner in seinem Sekretariat abgelegt. Praktisch jeder konnte darauf zugreifen. Ich denke, dass sowohl der BKA-Verbindungsmann als auch die Abteilung ›Konsulate Osteuropa‹ darüber informiert waren, was Stefan an brisanten Informationen zusammengetragen hatte. Und wer weiß, wer noch alles.«
    Katja zündete sich eine Zigarette an, sah beunruhigt durch den Rauch. »Du meinst, es gibt eine undichte Stelle bei euch?«
    Emma zuckte mit den Schultern. »Wer weiß das schon? Der Staub, den der Untersuchungsausschuss aufgewirbelt hat, dürfte bis in die letzten Winkel Osteuropas geweht sein.«
    »Immer vorausgesetzt«, warf Katja ein, »dass dein Mann Opfer von osteuropäischen Kriminellen wurde.«
    »Kohlhoff, das BKA und auch der Krisenstab sehen kein anderes Motiv«, entgegnete Emma. »Seit einem Jahr ist die Visa-Vergabe derartig restriktiv, dass wir schon von Familien in Deutschland hörten, deren engste Angehörige vergeblich in Kiew oder Minsk vor den Konsulaten standen. Da staut sich enorme Wut auf. Du weißt doch, wie das ist: Hat sich die Hand erst mal an Futter gewöhnt, bleibt sie immer ausgestreckt. Und derzeit bleiben die Hände eben leer. Es sieht nicht so aus, als werde der neue Minister die Fehler seines Vorgängers wiederholen.«
    Katja stand jäh auf. Ihr Hund Charlie wechselte seine Seitenlage, riss das Maul auf und gähnte. Seine Zähne glänzten wie vereiste Steine. Sie kraulte seine Ohren. Er schmatzte genießerisch.
    »Das klingt alles zu einfach, findest du nicht?«, sagte sie dann. »Ich meine, wie bedrohlich war die Lage wirklich? Ich habe die Einzelheiten nicht mehr so genau auf dem Schirm.«
    Emma nippte nur noch an ihrem Glas. Ihr war schwummrig vom Alkohol, und wenn man sie fragen würde, was ihr jetzt am liebsten wäre, würde sie sagen: Die Welt soll schweigen, die Königin braucht Ruhe.
    Doch Katja war im Recherchefieber. Interessierte sie der Gefühlszustand ihrer Freundin nicht länger? Ging es jetzt nur noch um Journalismus? Miststück, dachte Emma, meinte es aber eigentlich nicht so. Sie wusste, dass der Tod Stefan Rumpfs die Presse elektrisierte. Spekulationen kochten hoch, Genaueres wusste niemand. Noch einmal holte sie weit aus und fasste für Katja zusammen, welche neuralgischen Punkte schließlich zur Vorladung der beiden ehemaligen Innen- und Außenminister vor den von der CDU geführten Untersuchungsausschuss geführt hatten.
    In mehr als 300 Aktenordnern waren Vorgänge, Memoranden, Bescheide und Namen abgelegt. Sie beschrieben nicht nur eine gefährlich-laxe Praxis bei der Visa-Erteilung deutscher Konsulate in Osteuropa. Da war von etlichen Warnungen vor der wachsenden Zahl an Kleinkriminellen, Drogenkurieren und Schmugglerbanden aus der Ukraine, Weißrussland und den muslimischen Republiken der einstigen Sowjetunion die Rede; man las von erfundenen Gastfamilien, gefälschten Arbeitsverträgen und bestochenen Grenzbeamten.
    »Doch wie strickt ihr daraus die Möglichkeit, dass es ein Racheakt an Stefan war? Gibt es Indizien?«
    Emma winkte ab und griff nach einem Pullover, den sie am Abend zuvor als Kissen benutzt hatte.
    »Es gab Drohbriefe an die Konsulate in Minsk und Kiew.«
    Katja blickte überrascht zu ihr auf.
    »Eine unbekannte Gruppe, die sich ›Starkes Weißrussland‹ nannte, stieß deutliche Warnungen Richtung Deutschland aus. Die Verfasser drohten mit Anschlägen auf deutsche Konsulate und Botschaftsangehörige, weil angeblich Familien auseinandergerissen würden. Allerdings denke ich, dass eher die russische Mafia dahintersteckte, die über Jahre ihr

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