Trias
Glück: Als eine Korrespondentin bei der Berliner Tagespost aus Altersgründen ausschied, übernahm sie den Posten, gab sich unerschrocken und boxte sich schnell gegen die Männerriegen durch, die um die Politikerinterviews stritten wie Hyänen um kranke Tiere. Doch für ihr Privatleben taugte das couragierte Konzept nur bedingt: Es gab nicht viele Männer, die Katjas starke Persönlichkeit längere Zeit ertrugen.
Katja seufzte und ergriff scheu das Wort. »Wie fühlst du dich?«, fragte sie ihre Freundin vorsichtig.
Emma sah sie müde an. »Ich wollte mich mit Arbeit ablenken«, sagte sie schleppend. »Doch Kohlhoff sagte, ich solle mich schonen …« Sie hielt inne.
Sollte sie ihrer Freundin anvertrauen, wie schlecht es um ihre Ehe gestanden hatte? Wie dicht sie aber auch davor gewesen waren, noch einmal neu zu beginnen? Emma war einer inneren Ohnmacht nahe, die sie mit einem weiteren Glas Wein unterdrückte.
»Ich habe jeden Tag Kontakt zu seiner Sekretärin. Sie hat ihre Ohren gerade überall. Der Krisenstab sucht nach Anhaltspunkten und Hinweisen. Man glaubt, Stefan könnte das Opfer kriminellen Abschaums aus Weißrussland oder der Ukraine geworden sein, die in ihm einen Gegner sahen, weil er die Visa-Geschichte ins Rollen brachte …«
»… in dessen Folge die Konsulate nur noch in Ausnahmefällen Visa für Deutschland erteilen … Verstehe«, führte Katja den Gedanken fort. Sie kaute auf ihrer Unterlippe. »Als mögliches Motiv könnte es taugen. Der Minsker und Kiewer Mafia ist alles zuzutrauen.« Sie war froh, dass das Gespräch in diese Richtung ging. Was sollte sie Emma denn auch Tröstendes sagen, angesichts solch eines Schicksals?
Emma nickte schwach. Sie musterte ihre Freundin. Kam sie aus ehrlichen Motiven oder als Journalistin, um Informationen abzuschöpfen? Im Großen und Ganzen war ihr das egal, Hauptsache, sie war da. Emma wollte nicht allein sein. Sie schob den Gedanken beiseite und sagte stattdessen: »Es ist lieb von dir, dass du gekommen bist, ich kann ein bisschen Ablenkung gebrauchen.«
»Willst du einfach erzählen?« Katja setzte sich näher an ihre Freundin heran und nahm ihre Hand.
Emma schossen Tränen in die Augen. Ihr innerer Druck hatte sich einen Weg nach außen gebahnt.
»Ich denke, Stefan stand kurz davor, mich zu verlassen«, sagte sie leise.
»Wollte er das nicht schon öfter?«
»Er hat höchstens mal das Zimmer verlassen«, sagte Emma mit einem Anflug von verzweifelter Ironie. »Aber nie für immer.«
»Wie kam es dazu?« Katja sah erst auf ihren Hund und dann an ihm vorbei auf den Boden. Das Parkett war hell und wirkte warm.
»Wir haben in den letzten Monaten nur noch über unsere Jobs geredet, über Kollegen in anderen Abteilungen, regten uns über diesen oder jenen auf und bemitleideten uns selbst. Aber über uns, unsere Gefühle und Interessen, unsere eigenen Begehrlichkeiten und Wünsche haben wir gar nicht mehr gesprochen. Wir schliefen zum Schluss in getrennten Wohnungen. Er in seinem Apartment, ich hier. Dazu kamen kleine, aber schreckliche Streits um Nichtigkeiten. Dies alles hätten wir vielleicht überwinden können. Doch in den letzten Wochen tat Stefan irgendwie geheimnisvoll, er redete von zusätzlicher Belastung, über die er aber mit mir nicht sprechen dürfe.«
Katja warf ihr einen fragenden Blick zu. Emma zuckte mit den Schultern.
»Ich habe es nicht aus ihm herausgekriegt. Manchmal saß er bis weit nach Mitternacht in seinem Büro. Und er besuchte einen Englischkurs, um, wie er sagte, sein Wirtschaftsenglisch aufzufrischen.«
»Na gut«, sagte Katja, »das will ja alles noch nichts heißen …«
»Stefan hat mir sonst immer brühwarm erzählt, was lief und was er plante«, entgegnete Emma. »Ich wusste von den Vorgängen in den Botschaften, lange bevor die Medien daraus eine große Nummer machten und der Außenminister rapportieren musste.« Während sie sprach, war sie in sich zusammengesunken, richtete sich jetzt aber jäh wieder auf.
»Ich rief ihn an, als er auf dem Weg nach Görlitz war. Ich dachte, er langweilt sich im Wagen, und wir hätten ein paar Minuten für ein Gespräch. Ich fragte ihn, ob es nicht besser wäre, sich zu trennen. Obwohl ich das nicht gewollt hätte, drängte es mich zu erfahren, wie er die Sache sah.«
»Und was hättest du gewollt?«
»Einen neuen Anlauf für unsere …«
»Und? Was antwortete er?«, unterbrach Katja sie vorschnell.
»Er war kurz angebunden, knurrte, er habe jetzt nicht die Ruhe
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